Hans Zender
Hans Zender (*1936) ist als Dirigent und Komponist gleichermaßen anerkannt. In seinen Kompositionen spiegelt sich eine intensive Auseinandersetzung mit östlicher und europäischer Philosophie wider. Dies führt ihn zu einem Denken, in welchem vermeintlich unvereinbare Gegensatzpaare miteinander korrespondieren. Diese gegenstrebigen Fügungen finden sich auf unterschiedlichen Ebenen in seinen Werken: in verschieden konzipierten Zeitabläufen und in der Auseinandersetzung und Konfrontation von Musikgeschichtlichem und Avantgardistischem.
Letzteres ist unmittelbar zu hören im Dialog mit Haydn für zwei Klaviere und drei Orchestergruppen, 1993 im Leipziger Gewandhaus aufgenommen mit dem Bundesjugendorchester unter Leitung des Komponisten. Die beiden leicht präparierten Flügel sind mit einer Differenz von 22 Cent gestimmt, wodurch mikrointervallische Schwebungen entstehen. Zudem dämpfen die beiden Pianisten Hermann Kretzschmar und Ueli Wiget manchmal die Saiten ab, was zu einem xylofonähnlichen Klang führt. Die drei Orchestergruppen steuern eine Vielzahl von zeitgenössisch verfremdeten Klängen bei. Die Konfrontation und Filterung der Haydnschen Originalklänge, z.B. der aufstrebende Dreiklang aus seinem berühmten Andante, verläuft mit einer gehörigen Portion Humor, der sich bis zum Grotesken steigert, wenn gegen Ende der Haydnsche Paukenschlag zum infernalischen Trommel-Clusterwirbel wird.
Im zweiten Werk Issei no kyo (Lied von einem Ton) für Sopran und Orchester, aufgenommen 2010 in der Kölner Philharmonie, brilliert die Sopranistin Claron McFadden. Die vier Lieder knüpfen in Gestik und Klangfarbenreichtum an Schönbergs Orchesterlieder an. Sie gehen auf Texte des Zen-Meisters Ikkyu Sojun zurück, die in verschiedenen Sprachen, gekoppelt mit ineinander verzahnten Charakterwechseln geheimnisvoll, spielerisch, theatralisch und magisch eine surreale, expressive Klangwelt hervorrufen. Johannes Kalitzke leitet das hervorragend disponierte WDR Sinfonieorchester.
Mehrere gleichzeitig stattfindende Zeitverläufe bestimmen den Canto VII Nanzen no kyo für vier Chor- und Instrumentalgruppen. In den Linien wird ein japanischer Gedichttext nach und nach in deutsche Silben verwandelt, in den Rotationen kreisen die Texte in sich. Durch diese Gegenstrebigkeit, verteilt auf insgesamt acht Gruppen, entsteht eine spannungsvolle Raumklangwirkung.
Hans Zender ist ein zeitgenössischer Komponist, der genau weiß, wo er in unserer Kulturlandschaft verortet ist. Die drei repräsentativen Werke dieser CD führen in eine künstlerisch fruchtbare Auseinandersetzung mit seiner musikalisch-philosophischen Ideenwelt.
Christoph J. Keller