Nimsgern, Siegmund

Hans Simon. Komponist 1897-1982

Dokumente und Materialien zu Leben und Werk, im Paket: Buch mit CD-ROM und Audio-5 CDs

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Perc.pro, Hochspeyer 2013
erschienen in: das Orchester 05/2014 , Seite 65

Auf dem Titelblatt die Zeichnung eines hageren Kopfes, welcher an den von Carl Orff erinnert: Hans Simon. Über ihn ist die Musikgeschichte einigermaßen indolent hinweg gegangen. Zu Unrecht, meint der bayreuth-gestählte Bariton Siegmund Nimsgern, der seinen späteren Freund u.a. zu den dann von ihm auch uraufgeführten Andreas-Gryphius-Gesängen anregte. Das Buch ist ein „persönliches Totenopfer von einem Adoptivsohn für seinen Second-Hand-Vater“.
In diesem „familiären“ Akt steckt aber auch viel musikalische Überzeugung. Sie gilt keinem schillernden Vertreter der Avantgarde, sondern einem bekennenden Traditionalisten, einer „Mischung aus Strauss, Pfitzner und dann später auch etwas Schostakowitsch, obwohl Simon den
garantiert nicht kannte“. Atonalität hat der 1897 in Darmstadt geborene Komponist strikt abgelehnt (wie z.B. auch Alexander von Zemlinsky oder Berthold Goldschmidt), er plädierte für eine Musik des durch geistige Form gelenkten Gefühls, die sich bis zur Bitonalität allerdings vorzuwagen bereit war. Dem Dirigenten Hans Drewanz war das zu retrospektiv, aber sein Kollege Siegfried Köhler befand: „Ihre Musik kann man zum Klingen bringen.“ Diese Qualität mag damit zu tun haben, dass Simon ein ganz und gar praktisch denkender Komponist war. Immerhin hatte ihn seine Karriere als Korrepetitor und Dirigent über diverse Theater geführt, wobei er übrigens die Operette wegen ihrer freien Agogik als besondere Herausforderung betrachtete. Er selbst schrieb diverse Schauspielmusiken, aber nur eine Oper (Valerio, Darmstadt 1931, Ltg. Karl Böhm).
Die Karriere nach 1945 lief nur schleppend an und wäre möglicherweise sogar vor der Zeit zu Ende gegangen, hätte ihm nicht seine Frau, die Konzertsängerin Emmy Aden, tatkräftig zur Seite gestanden. Das Ehepaar verschlug es schließlich ins saarländische St. Ingbert, nicht gerade ein kulturelles Zentrum. Auch der dortige Männergesangverein „Frohsinn“, für den Simon etliche (auch etwas obskure) Gesänge schrieb, war eine lediglich lokale Institution. Werke von höherem Anspruch wurden freilich
hier und da aufgeführt, vor allem produzierte der Saarländische Rundfunk Kompositionen von Hans Simon. Die zum Buch gehörige CD-Kassette enthält u.a. die bekenntnishaften Gryphius-Gesänge (mit Nimsgern). Als romantisch gestimmter Hörer gewinnt man mit dieser Musik auf Anhieb Kontakt.
Das Buch enthält viel liebevoll zusammengetragenes Erinnerungsmaterial: Fotos und Texte der unterschiedlichsten Couleur, wobei sich biografische Details hier und da wiederholen. Hinzu kommen Zeitungsartikel
sowie ein Werkverzeichnis. Bliebe nachträglich zu erwähnen, dass im Jahr 2011 ein Antrag auf Aberkennung des städtischen Ehrengrabes in St. Ingbert für Hans Simon (gestorben 1982) gestellt wurde, nachdem der Komponist posthum in den Verdacht eines Nazi-Profiteurs geraten war. Nimsgern stuft Simon in dieser Hinsicht als „harmlos und unbedarft“ ein. An dieser Stelle ist das heikle Thema natürlich nicht verbindlich zu klären.
Christoph Zimmermann