Rübsaat, Hubert

Hans Schmidt-Isserstedt

Hg. von der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Buccerius, mit CD

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Ellert & Richter, Hamburg 2009
erschienen in: das Orchester 11/2009 , Seite 65

Es gibt Dirigentenpersönlichkeiten, die an einem Ort verwurzelt bleiben, keine Alterskarriere machen, jedem Personenkult abschwören – und doch durch die Qualität ihrer Arbeit das ganze Genre nachhaltig prägen. Zweifellos gehört zu diesem Dirigententypus Hans Schmidt-Isserstedt (1900-1973), dessen Name noch heute durch seine Aufbauarbeit untrennbar mit dem NDR Sinfonieorchester verbunden ist. Ihm widmet Hubert Rübsaat eine jüngst von der ZEIT-Stiftung herausgegebene, lesenswerte Biografie.
Warum lesenswert? Schmidt-Isserstedts Vita umfasst jene turbulenten und zerrissenen Jahrzehnte deutscher Geschichte, die – so Altkanzler Helmut Schmidt in einem Nachwort – „es wünschenswert machen, den heute lebenden Nachfahren ihre mitbürgerliche Verantwortung ins Bewusstsein zu heben“. Der im Jahr 1900 in Berlin geborene Schmidt-Isserstedt wurde nach verschiedenen Kapellmeisterstationen Generalmusikdirektor in Darmstadt und dann bis zum Kriegsende Operndirektor in Berlin. 1945 beauftragte man ihn, ein Sinfonieorchester des damaligen NWDR in Hamburg aufzubauen. Dieses Ensemble sollte 28 Jahre seine Heimstatt bleiben und zur Krönung seines Lebenswerks werden.
Rübsaat widmet einen großen Teil der Biografie zunächst den Jahren zwischen 1933 und 1945. Schmidt-Isserstedt, der nicht Mitglied der NSDAP, aber auch kein Widerständler war, ließ sich 1935 von seiner jüdischen Frau Gerta Herz scheiden, gab ihr jedoch das Versprechen, sie „nach dem Ende des braunen Spuks“ erneut zu heiraten. Schon ein Jahr später ehelichte er indes die Ballettmeisterin Helga Swedlund und wurde 1943 als Mitglied der „Gottbegnadeten-Liste“ von Goebbels zum Berliner Operndirektor berufen – wem steht es an, heute darüber zu urteilen?
Rübsaats Buch befasst sich dann sehr ausführlich mit der Zeit ab 1945, jenen Jahren also, in denen Schmidt-Isserstedt „aus dem Nichts heraus“ ein Orchester formte, als NWDR-Sinfonieorchester zu „seinem“ Markenzeichen machte und in die Spitzenliga führte. Natürlich gab es frühe Neidattacken der Hamburger Philharmoniker, später auch Rückschläge – nichts aber konnte Dirigent und Orchester daran hindern, in die Sphären internationaler Anerkennung aufzusteigen. Hiervon zeugen auch die Mitschnitte auf der beiliegenden CD, wobei man insbesondere bei den Mozart-Einspielungen hört, dass der Aufbruchgeist der 1950er und 1960er Jahre Immenses an Vorarbeit zum heutigen Mozart-Verständnis leistete.
Rübsaats Biografie ist schon deshalb empfehlenswert, weil ihr jede epische Länge abhold und Detailverliebtheit fremd ist. Und die hanseatische Noblesse der finanzierenden ZEIT-Stiftung verschafft dem Buch auch einen entsprechenden äußeren Rahmen mit wertvollem Papier und bestechender Druckqualität. So glaubt man, allein beim Lesen vieles vom Wert der Arbeit des Dirigenten Hans Schmidt-Isserstedt zu spüren.
Thomas Krämer