Heinrich Marschner

Hans Heiling

Opernchor des Aalto-Theaters, Bergwerksorchester Consolidation, Essener Philharmoniker, Ltg. Frank Beermann

Rubrik: CD
Verlag/Label: Oehms Classics
erschienen in: das Orchester 11/2019 , Seite 68

Von einer Marschner-Renaissance zu sprechen, wäre verwegen. Trotz jüngster Vampyr-Aufführungen in Koblenz und Berlin, Hans Heiling-Inszenierungen in Cagliari, Wien, Regensburg und eben jetzt Essen. Gleichwohl überrascht das Interesse am musiktheatralischen Werk des für Jahrzehnte ziemlich in der Versenkung verschwundenen Mittlers zwischen Weber und Wagner doch.
Spüren wir ihr also nach, dieser Vielleicht-Renaissance, anhand des Livemitschnitts aus dem Essener Aalto-Theater, wo im Frühjahr 2018 Andreas Baesler den Märchenstoff mitten hinein ins ruhrgebietliche Zechensterben inszenierte. Sogar ein leibhaftiges Bergwerksorchester wurde in den Soundtrack eingebunden, den das für exzellente Aufnahmetechnik bekannte Detmolder Label Oehms Classics in Zusammenarbeit mit Deutschlandfunk und WDR besorgte. Daran also liegt es nicht, dass der Essener Hans Heiling-Mitschnitt nicht sonderlich überzeugen kann.
Auch die wie gewohnt auf gutem Niveau musizierenden und von Frank Beermann in die Feinheiten der frühromantischen Abgründe geführten Essener Philharmoniker geben zu Tadel kaum Anlass. Bei den Sänger-Solisten allerdings muss der Hörer einige Abstriche machen. Selbst der grundsolide Opernchor leistet sich manche Ungenauigkeit, was alles in allem den Eindruck vermittelt, man habe in Essen gedacht, dieses Werk sei so en passant zu haben. Dazu ist Hans Heiling dann aber doch zu komplex und die Ansprüche an die Sänger nicht von Pappe.
Marschner hat das Märchen vom Erdgeist-König Hans Heiling, der für seine Liebe zu einem Menschenkind, Anna mit Namen, seine Macht, seine Zauberkraft und sein Reich aufgeben will, in ein immer wieder durch gesprochene Dialoge unterbrochenes Geflecht aus Rezitativen, Arien und Chorsätzen gegossen. Man kennt so etwas ja mit vertauschten Geschlechterrollen und Meerjungfrauen. Hans Heiling scheitert dabei weniger an sich und seinen ehrenwerten Absichten als an der Flatterhaftigkeit des Mädchens. Und ob er nach dem dritten Akt, der ihn heim ins unterirdische Reich führt, wirklich happy sein kann, bleibt im Dunkel.
Dass in Essen die Menschen sich im Ruhrgebiet-Dialekt unterhalten – geschenkt. Sowas funktioniert sowieso höchst selten. Dass aber allenfalls Jessica Muirhead in der Partie der Anna ein Niveau erreicht, das über das Dokumentarische hinaus lohnend für die Nachwelt erscheint, ist wirklich ärgerlich. Rebecca Teem als Erdgeister-Königin lässt die Erinnerung an bessere Zeiten auflodern, der Titelheld,
Tenor Heiko Trinsinger, klingt heldisch unentschieden, sein Gegenspieler, Jeffrey Dowd als Konrad, blass. Kaum mehr als verlässlich: Bettina Ranch als Annas Mutter Gertrud.
Bleibt das Werk an sich und die Frage, ob sich die Wiedererweckung lohnt. Eine musikalische Antwort würde sich lieber für den Freischütz oder den Ring entscheiden, von der Bühnenwirkung des Hans Heiling waren Publikum wie Kritiker ziemlich einhellig angetan.
Armin Kaumann