Wolfgang Amadeus Mozart

Haffner Serenade

Festival Strings Lucerne, Daniel Dodds (Violine und Leitung)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Sony classical
erschienen in: das Orchester 5/2023 , Seite 69

Wolfgang Amadeus Mozart darf getrost als einer der „Großmeister“ der Serenade gelten. In dieser so wenig orthodoxen Form hat er in vielerlei Besetzungen Meisterwerke geschaffen, mit der Kleinen Nachtmusik sogar möglicherweise die Komposition in seinem umfangreichen Schaffen, die ihn in der breiten Öffentlichkeit geradezu definiert. Da ist es um so erstaunlicher, dass eine der kunstvollsten, vielschichtigsten und künstlerisch anspruchsvollsten Serenaden fast immer im Aufführungsschatten steht. An der Besetzung der Haffner-Serenade KV 250 kann es eigentlich kaum liegen; ab Kammerorchesterstärke aufwärts sind hier keine Probleme zu erwarten. Und technisch ist das mit vorangehendem Marsch (KV 249) neunsätzige Werk zwar auf Profimusiker:innen zugeschnitten, entwickelt aber bis auf die Violinsoli keine virtuoseren Ambitionen. Vielleicht ist es also die Spieldauer selbst, die die Konzertplaner:innen zu anderem Repertoire greifen lässt.
Knapp eine Stunde lässt sich Mozart Zeit, um in zwei großdimensionierten, sinfonischen Rahmensätzen, drei wundervoll abwechslungsreichen Menuetten, zwei gesanglichen langsamen Sätzen, einem Rondo und dem vorangestellten Marsch sein Freiluftmusik-Panorama zu entwerfen. Konzertante Elemente verschmelzen wunderbar mit einer schon sehr reifen Sinfonik, die solistischen Einlagen sind schlüssig in einen vollen, aber stets transparenten Tuttiklang eingebettet und an Einfällen in Bezug auf Harmonie und Kontrapunkt fehlt es Mozart sowieso nicht.
Während die Zuhörer:innen im heutigen Konzertbetrieb ein rund einstündiges Werk vielleicht als lang empfinden mögen, scheinen sich die Festival Strings Lucerne für ihre Aufnahme alle notwendige Zeit genommen zu haben. Unter der Leitung ihres Konzertmeisters Daniel Dodds klingt diese Haffner-Serenade perfekt bis ins kleinste Detail. Da stimmt jeder Einsatz, da ist jeder Akzent an der richtigen Stelle. Man staunt über eine entspannte und doch präzise Tongebung und freut sich über eine perfekte Balance zwischen den Instrumentengruppen. Auch die Tempi sind schlüssig gewählt, in den raschen Sätzen vielleicht etwas am unteren Ende des Erwartbaren, handelt es sich doch hier um ein Ensemble mit durchaus virtuosen Ansprüchen.
Ein kleiner Rest fehlt allerdings zur vollständigen Überzeugung: Wolfgang Amadeus Mozart gilt ja auch als Meister des Unerwarteten; und ein paar unerwartete Kanten und Ecken hätten dieser Einspielung der Haffner-Serenade sicher auch ganz gut getan. Ein paar schärfer gesetzte Akzente, die stärkere Betonung der unterschiedlichen Bläserfarben und vielleicht auch etwas virtuoses Draufgängertum – damit hätte diese Serenade sofort deutlich gemacht, wo ihr eigentlicher Platz ist: außerhalb des steifen Konzertsaals, vielleicht sogar an der frischen Luft!

Daniel Knödler