Humperdinck, Engelbert

Hänsel und Gretel

Rubrik: CDs
Verlag/Label: MDG 909 1837-6, 2 SACDs
erschienen in: das Orchester 05/2014 , Seite 76

Es ist ein ebenso symbolträchtiges wie spannendes Projekt. Die Oper gehört zu den populärsten überhaupt – obwohl man sie sehr zu Unrecht gern auf einige ebenso populäre Hits reduziert und meint, dass ihre Hauptzielgruppe Kinder seien. Dabei handelt es sich bei Engelbert Humperdincks Hänsel und Gretel um ein Meisterwerk der Orchestration, ein Paradestück kompositorischer Ausarbeitung – voll Esprit und Hintersinn, ein Musterstück musikalisch-dramaturgischer Durchführung. Das Werk mag der Inbegriff der Märchenoper sein, aber es ist auch der geistvolle, musiktheatralische Befreiungsschlag nach Richard Wagner – ohne dessen Musikdrama nicht denkbar.
Dass sich wenige Werke des ausgehenden 19. Jahrhunderts bis heute der gleichen Popularität erfreuen, mag viele Gründe haben – neben der märchenhaften Handlung, den eingängigen Nummern und der bewährten Vorlage gehört dazu auch, dass das Werk immer wieder eine schöne Chance für ein Ensemble ist, sich in bestem Lichte zu präsentieren. Kein Wunder also, dass das Opernensemble des Deutschen Nationaltheaters Weimar mit einer besonderen Aufnahme einen besonderen Geburtstag feiert.
120 Jahre ist es her, dass an diesem Ort die Oper uraufgeführt wurde. Zum Jubiläum hat das Haus sie nicht nur ins Repertoire genommen, sondern die Gelegenheit ergriffen, das Stück mit dem fantastischen Ensemble auf Hybrid-SACD einzuspielen. Die Produktion unter der musikalischen Leitung von Martin Hoff kann sich auf historische Aufführungsmaterialien stützen. Das perfekte Hänsel und Gretel-Ensemble steht da auf der Weimarer Bühne und vor dem Mikrofon. Schlank geführt und dennoch warm und kraftvoll zeigen sich die Stimmen von Sayaka Shigeshima und Elisabeth Wimmer in den Titelpartien. Dass Alexander Günther als Knusperhexe absolut alle gestalterischen Chancen nutzt, die ihm die Partie bietet, ist nicht verwunderlich, auch nicht, dass dies auf sängerisch bemerkenswertem Niveau geschieht. Caterina Maier und Hyunjin Park als Sand- bzw. Taumännchen bringen wundervolle Farben in das Klangbild. Nicht anders verhält es sich mit Uwe Schenker-Primus und Rebecca Teem, die die Eltern geben. Die jungen Sängerinnen und Sänger der von Cordula Fischer geleiteten Schola Cantorum und die Frauenstimmen des von Markus Oppeneiger einstudierten Opernchors komplettieren ein ideales Ensemble.
In der rundum fantastischen tontechnischen Qualität dieser Aufnahme kann sich aber ganz besonders eine überzeugende Staatskapelle Weimar präsentieren. Satter Mehrkanalsound wird in dieser Produktion brillant aufbereitet. Sie ist ein weiteres Dokument des aktuell grandiosen Niveaus auch unter Kapellmeister Hoff. Die Aufnahme stellt sich sehr bewusst in eine große Tradition, aber dies konsequent auf höchstem spieltechnischen Niveau. Eine Einspielung, die sich auf dem internationalen Markt hören lassen kann, ganz besonders, weil sie vor allem eins ist: frisch und musikantisch.
Tatjana Böhme-Mehner