Andrea Arnoldussen

Händigkeit und Instrument

Wie machen Linkshänder Musik?

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Schott
erschienen in: das Orchester 03/2021 , Seite 61

Dass Linkshänder zum Schrei­ben mit der rechten Hand gedrängt oder gar gezwungen werden, ist heute verpönt. Beim Instrumental­spiel und speziell in Orchestern gilt es jedoch (noch) als normal, dass Linkshänder sich an rechtsgeprägte Bedingungen anpassen. Offenbar hat sich seit Walter Menglers Musi­zieren mit links (2010), was seiner­zeit viele Diskussionen anstieß, nicht viel verändert: Nach wie vor ist die Bauweise von Instrumenten in der Regel für Rechtshänder aus­gelegt und spielen linkshändige Musiker meist in der rechtsgepräg­ten Standardspielweise.
Andrea Arnoldussen, selbst Linkshänderin und als Musikpäda­gogin und „Linkshänderberaterin“ tätig, knüpft nun an Menglers Werk an. Mit ihrer Publikation möchte sie eine neue Offenheit im Umgang mit Händigkeit im Bereich des Instrumentalspiels erreichen. Im ersten Teil wird allgemein über das Phä­nomen der Händigkeit informiert. Der zweite, umfangreichere Teil widmet sich der Linkshändigkeit beim Musizieren.
Die Autorin erörtert die Bedeu­tung der Händigkeit beim Musizie­ren und thematisiert die „Umschu­lung“ der angeborenen Händigkeit am Musikinstrument. Potenzielle Vor- und Nachteile für Linkshän­der beim Spiel auf Standardinstru­menten werden vorgestellt und dis­kutiert, wobei die Autorin auch kri­tisch auf Studienergebnisse eingeht. Im Folgenden zeigt sie anhand von Fallbeispielen, wie linkshändige Pianisten das Spiel auf einem „norma­len“ Klavier empfinden und welche Möglichkeiten existieren, die Hand­dominanz zu berücksichtigen, etwa durch geschickte Musikauswahl.
In ihren Überlegungen zu einer Instrumentalpädagogik für Links­händer geht die Autorin im Detail auf Instrumentenspezifika ein. Auch der Prozess einer möglichen „Rück­schulung“ auf links wird unter ver­schiedenen Gesichtspunkten darge­stellt (Voraussetzungen, das Instru­ment, Übe-Methoden, Schwierig­keiten, Erfahrungsberichte).
Die Publikation liefert nicht nur Grundwissen, sondern bringt auch Stimmen von betroffenen Kindern, Jugendlichen und Er­wachsenen wie auch von Lehrkräf­ten, die linkshändige Schüler be­treuen, eindrucksvoll zu Gehör. Da­durch, dass viele subjektive Eindrü­cke, Meinungen und pädagogische Erfahrungen versammelt sind, wirkt das Werk streckenweise anekdotenhaft. Auch könnte beim Lesen der Eindruck entstehen, sämtliche Probleme linkshändiger Musiker – etwa körperliche Probleme, Auf­trittsangst oder Gedächtnisproble­me – seien auf „Umschulung“ zu­rückzuführen.
Auf jeden Fall ist es jedoch ein Verdienst der vorliegenden Neuer­scheinung, die Händigkeit in ihrer Bedeutung für das Instrumental­spiel wieder neu ins Bewusstsein zu heben. Und was spricht dagegen, Linkshänder in Ruhe ausprobieren und selbst entscheiden zu lassen, ob das Musizieren auf einem rechts- oder linksgeprägten Instru­ment für sie besser passt? Es bleibt zu wünschen, dass das Werk eine größere Offenheit und Differen­ziertheit im Umgang mit Händig­keit mit dem Ziel eines gesunden, sich stimmig anfühlenden Musizie­rens sowie weitere Forschungen auf diesem Feld anzuregen vermag.
Andrea Welte