Andrea Arnoldussen
Händigkeit und Instrument
Wie machen Linkshänder Musik?
Dass Linkshänder zum Schreiben mit der rechten Hand gedrängt oder gar gezwungen werden, ist heute verpönt. Beim Instrumentalspiel und speziell in Orchestern gilt es jedoch (noch) als normal, dass Linkshänder sich an rechtsgeprägte Bedingungen anpassen. Offenbar hat sich seit Walter Menglers Musizieren mit links (2010), was seinerzeit viele Diskussionen anstieß, nicht viel verändert: Nach wie vor ist die Bauweise von Instrumenten in der Regel für Rechtshänder ausgelegt und spielen linkshändige Musiker meist in der rechtsgeprägten Standardspielweise.
Andrea Arnoldussen, selbst Linkshänderin und als Musikpädagogin und „Linkshänderberaterin“ tätig, knüpft nun an Menglers Werk an. Mit ihrer Publikation möchte sie eine neue Offenheit im Umgang mit Händigkeit im Bereich des Instrumentalspiels erreichen. Im ersten Teil wird allgemein über das Phänomen der Händigkeit informiert. Der zweite, umfangreichere Teil widmet sich der Linkshändigkeit beim Musizieren.
Die Autorin erörtert die Bedeutung der Händigkeit beim Musizieren und thematisiert die „Umschulung“ der angeborenen Händigkeit am Musikinstrument. Potenzielle Vor- und Nachteile für Linkshänder beim Spiel auf Standardinstrumenten werden vorgestellt und diskutiert, wobei die Autorin auch kritisch auf Studienergebnisse eingeht. Im Folgenden zeigt sie anhand von Fallbeispielen, wie linkshändige Pianisten das Spiel auf einem „normalen“ Klavier empfinden und welche Möglichkeiten existieren, die Handdominanz zu berücksichtigen, etwa durch geschickte Musikauswahl.
In ihren Überlegungen zu einer Instrumentalpädagogik für Linkshänder geht die Autorin im Detail auf Instrumentenspezifika ein. Auch der Prozess einer möglichen „Rückschulung“ auf links wird unter verschiedenen Gesichtspunkten dargestellt (Voraussetzungen, das Instrument, Übe-Methoden, Schwierigkeiten, Erfahrungsberichte).
Die Publikation liefert nicht nur Grundwissen, sondern bringt auch Stimmen von betroffenen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen wie auch von Lehrkräften, die linkshändige Schüler betreuen, eindrucksvoll zu Gehör. Dadurch, dass viele subjektive Eindrücke, Meinungen und pädagogische Erfahrungen versammelt sind, wirkt das Werk streckenweise anekdotenhaft. Auch könnte beim Lesen der Eindruck entstehen, sämtliche Probleme linkshändiger Musiker – etwa körperliche Probleme, Auftrittsangst oder Gedächtnisprobleme – seien auf „Umschulung“ zurückzuführen.
Auf jeden Fall ist es jedoch ein Verdienst der vorliegenden Neuerscheinung, die Händigkeit in ihrer Bedeutung für das Instrumentalspiel wieder neu ins Bewusstsein zu heben. Und was spricht dagegen, Linkshänder in Ruhe ausprobieren und selbst entscheiden zu lassen, ob das Musizieren auf einem rechts- oder linksgeprägten Instrument für sie besser passt? Es bleibt zu wünschen, dass das Werk eine größere Offenheit und Differenziertheit im Umgang mit Händigkeit mit dem Ziel eines gesunden, sich stimmig anfühlenden Musizierens sowie weitere Forschungen auf diesem Feld anzuregen vermag.
Andrea Welte
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