Jacobshagen, Arnold

Händel im Pantheon

Der Komponist und seine Inszenierung

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Studio Punkt, Sinzig 2009
erschienen in: das Orchester 11/2009 , Seite 63

Die neu erschienenen Publikationen zum Händel-Jahr 2009 sind ausgesprochen vielfältig und reichen vom mehrbändigen Handbuch über Biografien größeren und kleineren Umfangs bis zu essayistischen Schriften. Zu letzteren gehört auch das Buch von Arnold Jacobshagen, Professor für Historische Musikwissenschaft an der Universität Köln. Es ist keine Händel-Apologie, wie der Titel nahe legen könnte, sondern es beschäftigt sich mit der Rezeption Händels von den Lebzeiten des Komponisten bis zur Gegenwart. Vor allem interessiert Jacobshagen in dem sehr flüssig und leicht zu lesenden Buch die Frage nach den Ursachen von Händels Nachruhm, der ja schon 1738 zu Lebzeiten des Meisters mit der Errichtung eines Denkmals in Vauxhall Gardens begründet wurde. Händel selbst war entschieden am Weiterleben und -wirken seiner Kunst gelegen. Am Ende der Betrachtungen steht mit dem Verweis auf die aktuelle Fußball-Champions-League-Hymne, die Musik des Krönungsanthems Zadok, the Priest aufgreift, die Ankunft Händels in der Pop- und Massenkultur der Gegenwart.
Der Autor versteht es sehr überzeugend, die Entwicklungen von Händels Nachruhm und die betreffenden Dokumente kultur- und zeitgeschichtlich einzuordnen und zu bewerten. Dabei räumt er mit gängigen Klischees auf. Gerade das Kapitel zu den Londoner Verhältnissen erhellt die Lebens- und Finanzverhältnisse in der englischen Metropole und relativiert den Mythos vom freiheitsliebenden Unternehmer Händel. Jacobshagen verweist dagegen auf des Meisters Unterstützung vor allem durch das Königshaus und auf sein diplomatisches Geschick.
Im Weiteren kommen die „Biografischen Inszenierungen“ des 19. Jahrhunderts auf der Basis der bekannt spärlichen Originalquellen in den Blick, ebenso wie die zweifelhaften Umdeutungen Händel’scher Werke in der NS-Zeit und die Vereinnahmung des Komponisten in der DDR. Auch mit der aktuellen Händel-Rezeption auf der Bühne beschäftigt sich der Autor. Er betont dabei unter anderem, dass die Besetzung von Männerrollen in den Opern durch Countertenöre im Zuge der historischen Aufführungspraxis so gar nicht historisch ist. Ganz aktuell ist das Buch in der kritischen Betrachtung der Film- und Fernsehbeiträge über Händel, die selbst Beispiele aus der jüngsten Zeit aufgreift.
Jabobshagens Buch ist ein lesenswerter, zum Nachdenken anregender und mit vielen klaren Einsichten aufwartender Beitrag zu Händel-Publizistik im Gedenkjahr. Leider hat der Text ein paar Flüchtigkeitsfehler. Bach ist am 21. März geboren, nicht am 31., das war Haydn. Und die Ariodante-Inszenierung von Stephen Lawless lief ab 2007 in Halle, der Halle’sche Hercules-Regisseur heißt Fred Berndt.
Ergänzt wird der Band durch eine Reihe von Proben aus Texten, in denen Händel verkommt, von Armin Steins “Kleinem Musikus” von 1882 bis zu Paul Barz’ mittlerweile fast zum Bühnenrenner gewordenen Bach-Händel-Stück “Mögliche Begegnung” von 1985.
Karl Georg Berg