Gustav Mahler

Symphony No. 4

Münchner Philharmoniker, Genia Kühmeier (Sopran), Ltg. Valery Gergiev

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Münchner Philharmoniker
erschienen in: das Orchester 02/2018 , Seite 66

Mahlers vierte Sinfonie ist bei Weitem seine kürzeste – sie dauert nur ein wenig länger als der Kopfsatz der dritten Sinfonie. Der Vierten eignet Leichtigkeit und Transparenz, doch sie ist alles andere als ein Leichtgewicht und – trotz der klassischen viersätzigen Struktur – auch keine frühe Hommage an den Neoklassizismus (mit dem Mahler nichts am Hut hatte).
Vielmehr folgt der Charakter der G-Dur-Sinfonie ihrem Programm, das kurz als bunte Schilderung des himmlischen Lebens zu beschreiben wäre. In diesem Himmel, da geht es freudig zu, da wird gejubelt, man trifft aber auch auf allerhand Skurriles und Abgründiges: „Der Wein kost keinen Heller im himmlischen Keller, die Englein, die backen das Brot.“ Und: „Gut’ Kräuter von allerhand Arten, die wachsen im himmlischen Garten.“
Mahlers Sinfonik wird oft als Welttheater bezeichnet, in dem alles seinen Platz hat, das Gute wie das Schlechte, das Hohe, Edle ebenso wie das Schreckliche und Banale. Dass diese „Welt“ nun sogar auf den Himmel ausgedehnt wird, unterstreicht die Besonderheit dieser Sinfonie, die ohne übermäßiges Schlagwerk und sogar ohne tiefes Blech auskommt.
In der hauseigenen Edition haben Valery Gergiev und die Münchner Philharmoniker Mahlers Vierte nun eingespielt – gewissermaßen als Gegenstück zur Zweiten, die auch schon aufgenommen wurde und unter dem Beinamen „Auferstehungssinfonie“ mehr der Erlösung aus dem irdischen Leben verschrieben ist. An Referenzeinspielungen mangelt es bei keiner von beiden, was den Wert dieser CD leider schmälert – auch wenn Gergiev und den Münchnern eine schöne Interpretation gelungen ist. Mahlers Sinfonien sind auf Tonträgern im Grunde abgespielt. Doch sie gehören eben zum Portfolio großer Orchester und bekannter Dirigenten. Genauso wie Tondichtungen von Richard Strauss und Sinfonien von Bruckner und Schostakowitsch, die seit 2016 im Label „Münchner Philharmoniker“ erschienen sind.
Diese Aufnahme zeichnet sich besonders durch edlen Klang aus: warme Holzbläser, seidige Streicher, rundes Blech. Gergiev lotet vor allem den Pianobereich aus und zelebriert die entrückten Stellen himmlischer Ruhe – das kommt gerade dem wunderbaren dritten Satz zugute. Ein Ereignis ist auch der erste große Höhepunkt im Kopfsatz, der in einer gewaltigen Emphase mündet – um danach urplötzlich im gemütlichen Plauderton fortzufahren, als sei nichts geschehen.
Genia Kühmeier singt das Sop-ransolo „Das himmlische Leben“ aus Des Knaben Wunderhorn im Schlussabschnitt mit viel Volumen und durchaus auch mit Vibrato, dann aber doch an den richtigen Stellen auch leise bei ordentlicher Textverständlichkeit.
Mahlers rohe Ländlichkeit, die Extreme in der Artikulation und Instrumentation, das Skurrile seiner Musik kommen hingegen weniger zur Geltung. „Gediegen“ wäre dafür vielleicht das richtige Adjektiv. In diesem Himmel geht es hübsch und nett zu.
Johannes Killyen