Ekkehard Ochs

Greifswald: Aus zwei mach eins

Die „Opernverwicklung“ „Sprich mit mir“ am Theater Vorpommern

Rubrik: Bericht
erschienen in: das Orchester 1/2022 , Seite 50

Nach Ernst Kreneks Jonny spielt auf hat sich das Theater Vorpommern zu Spielzeitbeginn 2021/22 erneut um ein attraktives Opernprojekt verdient gemacht: Regisseurin Tamara Heimbrock präsentierte Gian Carlo Menottis Zwei-Personen-Oper The Telephone und Francis Poulencs lyrische Monotragödie Die menschliche Stimme; allerdings nicht als Abfolge zweier Stücke, sondern als beziehungsreich „Opernverwicklung“ benannte Kombination. Wie zu lesen, habe es Heimbrock Spaß gemacht, die beiden Stücke in eins zu verbinden. Und Dramaturgin Katja Pfeifer hält einen „Gesamtblick auf beide Werke“ nicht nur für möglich, sondern sieht ihn als „naheliegend“. Tatsächlich: In beiden Werken spielt das Telefon als technische Errungenschaft und nicht unproblematischer „Mitspieler“ in unterschiedlichen, zwischenmenschlich gestörten kommunikativen Beziehungen eine entscheidende Rolle: amüsant parodistisch – und mit geringerem Anteil am gesamten Stück – bei Menotti sowie ausgesprochen tragisch bei Poulenc. Heimbrock geht aber noch weiter, indem sie die Personage des nun neuen Stücks auf nur eine Person reduziert. Die Protagonistin ist also zum einen die Lucy bei Menotti, die als Dauertelefoniererin ihrem Freund Ben jede Möglichkeit nimmt, seinen Heiratsantrag loszuwerden und ihn erst entgegennehmen und (positiv) beantworten kann, als ihn der entnervt geflohene Verehrer per Telefon (!) übermittelt. Sie ist aber auch die vom Geliebten verlassene Protagonistin Poulencs, die in einem letzten, höchst verzweifelten Telefonat mit ihm alle Zerrissenheit ihrer tief verletzten Seele offenbart. Wie geht das zusammen? Beide Seelen in einer Brust? Hier lockere, flockig Banales von sich gebende Quasselstrippe, dort Individuum mit emotionalem Tiefgang – hier fröhliches Ende mit anstehender Hochzeit, dort Ausweglosigkeit und „letzte Konsequenz“, Tod der Protagonistin – auf Vorpommerns Bühne der Tod (Mord!) des untreuen Geliebten. Und dann wären da noch die ungleicher kaum denkbaren musikalischen „Sprachen“ Menottis und Poulencs, die Schwierigkeit, sie sich als Charakteristika einer Person vorstellen zu müssen. Es fällt schwer, das Konzept dieser „Opernverwicklung“ als eine produktive Möglichkeit musiktheatralischen Vorgehens zu akzeptieren. Und es sind wohl weniger die zwei Seiten einer Medaille, die da einander ergänzen würden; eher ein Unterfangen, das wohl zu reizen vermag, dabei aber ohne offensichtliche Brüche und schwierige Kompromisse nicht auskommt.

 

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