Werke von Johannes Brahms und Louis Spohr

Grand Nonetto

Ensemble Obligat

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Genuin
erschienen in: das Orchester 04/2022 , Seite 78

Das Hamburger Ensemble Obligat konnte im Jahr 2020 sein 25-jähriges Bestehen feiern. Es ist ein variabel besetztes Kammermusikensemble unter der künstlerischen Leitung der Flötistin Imme-Jeanne Klett und wird überwiegend von Mitgliedern aus norddeutschen Orchestern gebildet.
Die Realisation der jüngsten CD wurde u. a. mit Unterstützung von Neustart Kultur ermöglicht. Mit der Serenade Nr. 1 D-Dur op. 11 von Johannes Brahms aus dem Jahr 1859 huldigt das Ensemble dem berühmten Sohn Hamburgs in besonderer Weise, indem das Werk am Ort seiner Uraufführung, in Hamburg Altona, eingespielt wurde und man dafür auch eine rekonstruierte Nonett-Fassung mit Flöte, zwei Klarinetten, Horn, Fagott, Streichtrio und Kontrabass wählte. Die heute bekannte Orchesterfassung hat Brahms im Jahr nach der beim Publikum erfolgreichen Uraufführung erstellt.
Die sechs Sätze der Serenade lehnen sich formal an die klassischen Vorbilder der Gattung an: Mozart und Haydn. Auf das eröffnende motivisch durchgearbeitete Allegro mit brahmstypischem Hornklang folgt ein Scherzo und ein ausgedehntes Adagio. Mit zwei Menuettsätzen und einem weiteren Scherzo mit dominantem Hornpart nehmen die serenadenhaften Züge der Musik zu. Den Beschluss bildet ein auch im Geiste der Klassik stehendes Rondo.
Die sehr versierten Mitglieder des Ensemble Obligat lassen bei der Interpretation der Serenade ein an der Sinfonik orientiertes Klangbild entstehen. Sie spielen mit einem sehr breiten dynamischen Spektrum, das mitunter klangliche Schärfen im Tutti nicht vermeidet und die Mittelstimmen etwas weniger zur Geltung kommen lässt. Ein kammermusikalischerer Interpretationsansatz wäre sicherlich angemessener gewesen. Dass Brahms in der Serenade geheime Botschaften durch Anspielungen auf Kompositionen von Beethoven (Scherzo aus der 2. Sinfonie) und Haydn (Thema des Finales aus der Sinfonie Nr. 104) in der Themengestaltung versteckt, wäre im Booklet einige konkretere Ausführungen wert gewesen.
Louis Spohrs Nonett F-Dur op. 31 in der zur Norm gewordenen Nonett-Besetzung mit Bläserquintett, Streichtrio und Kontrabass ist fast fünfzig Jahre älter als die Serenade von Brahms und orientiert sich formal am viersätzigen Sonatensatz mit einem Scherzo an zweiter Stelle. Die große Bläserbesetzung ermöglicht ein vielfältiges und farbiges Wechselspiel aller obligaten (!) Stimmen, das bei der kammermusikalischen Konzeption des Nonetts sehr anschaulich gelingt und dem Ensemble Gelegenheit gibt, seine Perfektion im Zusammenspiel und die virtuosen Fähigkeiten der Interpreten zur Geltung zu bringen. Die ausdrucksmäßige Gestaltung der kontrastierenden Themen und die Dichte der motivisch-thematischen Arbeit des ersten Satzes überzeugen ebenso wie der unbeschwerte Tonfall des Scherzos und die gelöste Stimmung und Spielfreude im Schlusssatz.
Heribert Haase