Stevens, John

Grand Concerto 4 Tubas

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Acousence ACO 10911
erschienen in: das Orchester 04/2012 , Seite 71

Die Tuba als solistisches Instrument ist selten genug, die Originalliteratur alles andere als umfangreich. Aber gleich vier Tuben auf einmal, das klingt selbst für Blechbläserohren exzentrisch. Und doch führt das auf dieser CD zu hörende Melton Tuba Quartett keine endemische Existenz auf dem Schallplattenmarkt, denn es gibt mindestens noch die Kollegen vom „Dutch Tuba Quartet“. Das Melton-Quartett, dessen Mitglieder Hartmut Müller, Heiko Triebener, Jörg Wachsmuth und Ulrich Haas in den Orchestern aus Wuppertal, München (Bayerische Staatsphilharmonie), Dresden (Philharmonie) und Duisburg ihr Brot verdienen, hat sogar schon langjährige CD-Erfahrung und legt mit Grand Concerto 4 Tubas bereits seine vierte Einspielung vor.
Interessant ist, dass auf dieser Aufnahme ausschließlich Originalwerke zu hören sind, und zwar von John Stevens (*1951), der nicht nur Komponist, sondern auch Tubist ist – ein durchaus renommierter übrigens. Sein Konzert für vier Tuben und Orchester (2010), begleitet von den Duisburger Philharmonikern unter Leitung von Carl St. Clair, ist zweifellos für alle, die es blasen können, das ultimative Tuba-Fest – und ein überzeugendes Plädoyer gegen das Vorurteil, Tubisten mangele es musikalisch und technisch an Beweglichkeit. Über die Eigenständigkeit von Stevens’ Kompositionsstil kann man natürlich trefflich streiten, aber muss es denn immer schlimm sein, wenn einer sein musikalisches Zuhause im Wohlfühlbereich zwischen Filmmusik, Rock und Neoromantik gefunden hat? Stevens geht dabei nicht nur mit der Tuba trefflich um, sondern erweist sich beim gesamten Ensemble als gewitzter Instrumentationskünstler.
Die Kompositionen des Amerikaners klingen nie fremd – stets hat man den Eindruck, diese oder jene Passage schon mal gehört zu haben, aber eben anderswo. Jubilare! für Orchester (2000) nimmt sich Coplands Fanfare for the common man zum Vorbild, das Adagio von 2009 knüpft an Barbers gleichnamiges Werk an. Zwischendurch ziehen die eindrücklichen Tuba-Stellen aus John Williams’ Star-Wars-Musik vorbei und im Adagio für achtstimmiges Tuba-Euphonium-Ensemble (1991) natürlich der langsame Satz aus Bruckners siebter Sinfonie. Was nichts daran ändert, dass hier schöne Musik gespielt wird.
Wenn die Tuben ganz unter sich sind, werden sinnvollerweise einige Euphonium-Spieler hinzugebeten, die den Tonumfang und damit das Klangspektrum beträchtlich erweitern und die naturgegebene Mulmigkeit etwas lüften. Wenn man sich manchmal fragt, ob hier nicht auch Hörner oder Posaunen mitspielen, so spricht das durchaus für die klangliche Wandlungsfähigkeit der Ausführenden. So richtig geht die Post vor allem bei einem Stück ab, dem kürzesten auf der ganzen CD: Power für Tuba-Ensemble heißt Stevens’ Frühwerk von 1974. Und man möchte ihm angesichts der knackenden Grooves nachrufen: Mehr davon!
Johannes Killyen