Dietlinde Küpper
Goethes Verhältnis zur Musik
Nichts kapiert und alles verstanden
Seit jeher verlockt die Frage nach Goethes Verhältnis zur Musik zu allerlei Antwortversuchen. Im vorliegenden Fall, soviel vorweg, handelt es sich um Lektüre-Kost der leichteren Art. Will sagen: Inhaltlicher Zugriff und sprachlicher Duktus lassen schnell deutlich werden, dass hier nicht etwa eine fach-wissenschaftliche Studie vorliegt, sondern die Autorin entscheidet sich für unterhaltendes Erzählen in leicht verständlicher Sprache.
So greift die Kapitelfolge im Fragekontext zweifelsohne reichlich vorhandene Erzählanlässe entlang der sattsam bekannten Hauptstationen in Goethes Biografie auf – also etwa: häuslicher Unterricht an Klavier und Violoncello als Jugendlicher; Studienzeit in der Musikstadt Leipzig; Musikleben am Hof in Weimar und als dortiger langjähriger Intendant Auseinandersetzung mit dem musikalischen Theater; Begegnung mit Alter Musik während der Italienreise; Zusammenarbeit mit Johann Friedrich Reichardt und Freundschaft mit Carl Friedrich Zelter; Entwurf einer Tonlehre.
Nach Gehalt und Ton allerdings bleibt dies alles lediglich nacherzählend. Weder ist eine leitende Untersuchungsidee erkennbar noch nimmt Dietlinde Küpper kritisch-wertend Bezug etwa auf Sekundärliteratur. Und all zu oft lesen sich Aussagen recht vage, ja spekulativ: „[Goethe] konnte nicht mehr ohne Musik leben“ oder: „er brachte musikalischen Belangen großes Interesse entgegen, dennoch blieb bis ins Alter eine gewisse Distanz spürbar“. Vermeintliche Rückversicherung für solcherlei, denn doch allzu oberflächlich anmutende Einschätzungen sucht Küpper in zahlreichen Zitaten aus dem literarischen Werk und Briefen, deren Fundstellen indes nur summarisch und nicht präzise nachgewiesen werden.
Hinzu kommt: Hier und da wird durch ein „wir“ bzw. „uns“ im Text eine scheinbar gemeinsame Perspektive mit der Leserschaft suggeriert und es finden sich immer wieder auch umgangssprachliche Fügungen –wie etwa der Untertitel und Formulierungen wie „es dauerte allerdings nicht lang, bis Mozart bei Goethe einen Stein im Brett hatte“ oder „sonst wäre Lyrik nichts anderes als Geleier“.
Wenn sich die Autorin dann doch in einigen Kapiteln – so z.B. „Zur Problematik der Vertonung von (Goethes) Gedichten“ oder „Das Gespür für gute Musik: Erlebnisse mit Bach, Händel, Mozart und Beethoven“ – vom bloß (Nach-)Erzählen löst, so wird gerade dort schlussendlich offenkundig, dass für die Ausführungen eine Auffassung von dichterischer Arbeit und ein Künstlerbild leitend wirken, die nichts weniger als klischeehaft zu nennen sind.
Wer das Buch also zur Hand nimmt, den erwartet so etwas wie „Easy Listening“ im Leseformat. Manch Goethe-Interessierter wird hier, bequem und unterhaltsam, sicherlich das ein oder andere zur Frage erfahren können, wann, wo und unter welchen Umständen Goethe mit Musik in Berührung gekommen ist. Für diejenigen allerdings, die auf eine substanzielle Auseinandersetzung mit Aspekten des Fragehorizonts aus sind, gibt es dieserart nur wenig wirklich lohnenden Lesestoff zu entdecken.
Gunther Diehl