Ute Grundmann

Görlitz: Klischeekiste im Reihentanz

Das Theater Görlitz startet mit „Der liebe Augustin“ von Leo Fall

Rubrik: Bericht
erschienen in: das Orchester 1/2022 , Seite 52

Immer wieder der Radetzkymarsch. Falsch am Klavier geklimpert, als Zwischensignal, als Applausmusik. Was genau er in Leo Falls Operette Der liebe Augustin zu suchen oder zu bedeuten hat, kann auch die erste Musiktheaterpremiere am Theater Görlitz unter neuer Leitung nicht klären. Regisseurin Anja Nicklich hat sich allzu sehr in die Historie locken lassen. Denn in Görlitz war man schon früh auf den Uraufführungszug aufgesprungen: Nach der Uraufführung am 3. Februar 1912 war schon am 22. Dezember desselben Jahres Premiere in Görlitz. So weist es das jetzige Programmheft mit dem damaligen Theaterzettel aus. Inzwischen aber sind 109 Jahre vergangen, die Aufführung aber scheint stehengeblieben zu sein.
Die Routine-Handlung aus der Feder von Rudolf Bernauer und Ernst Welisch: Im Balkanfürstentümchen Thessalien ist man bankrott und gepfändet (selbst auf dem Bühnenklavier kleben Kuckucke). Des Kammerdieners Tochter Anna strebt nach Höherem zum Hofe, die wirkliche Prinzessin Helene dagegen mag es eher bürgerlich und deshalb Annas Verlobten Augustin, den lieben Musikus. Dass da der Diener (Hans-Peter Struppe) seinem Namen „Jasomirgott“ oft alle Ehre macht, kann man sich vorstellen.
Musikalisch geht das mit Jagdklängen und wiegenden Geigen los, die Bühne (Antonia Mautner Markhof) sieht aus wie das Genregemälde an der Schrankwand. Hier klopft der Gerichtsvollzieher, das Palaver ist so groß wie die weißen Kragen der Herren.

 

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