Giacomo Meyerbeer
Gli Amori di Teolinda
Lenneke Ruiten (Sopran), Davide Bandieri (Klarinette), Orchestre de Chambre de Lausanne, Ltg. Diego Fasolis
Raritätenalarm. Dieses reizende Stückchen Musiktheater hat das Zeug zum Hit. Giacomo Meyerbeer, der wieder in Mode gekommene Komponist von Hugenotten, Afrikanerin und etlichen weiteren großen französischen Opern, hat mit Gli Amori di Teolinda ein Monodram für Sopran, Klarinette, Männerchor und Orchester geschrieben, das ziemlich einzigartig geblieben ist. Komponiert für den befreundeten Star-Klarinettisten Heinrich Baermann und seine singende Frau, die Sopranistin Helene Harlaß, ist diese szenische Kantate schon bald vom Ruhm der Meyerbeer’schen großen Opern erdrückt in den Schubladen gelandet. In Nachkriegszeiten gebührte (Mezzo)Sopranistin Astrid Varnay das Verdienst, es wiederentdeckt und mustergültig aufgeführt zu haben.
Jetzt haben sich das Kammerorchester aus Lausanne und sein Leiter Diego Fasolis erneut ans Werk gemacht: mit Erfolg. Denn auf der Einspielung des für penible Aufnahmen geschätzten Schweizer Labels Claves kommen die originellen Details dieser Pastorale ganz vorzüglich zur Geltung.
Daran haben zu gleichen Teilen die niederländische Sopranistin Lenneke Ruiten und der Soloklarinettist des Orchesters, Davide Bandieri, Anteil. Denn die im Titel verheißenen „Liebschaften“ der Heldin geschehen vor allem in der Sphäre der Fantasie – und sind eher eine Anhäufung von Liebeskummer-Ausbrüchen. Die Schöne ist verliebt in den betörend Panflöte spielenden Hirten Armidoro, der sie allerdings weder kennt noch von ihr etwas wissen will. Deshalb muss sie sich in schmachtvollen Duetten mit der Klarinette (die zu diesem Zweck die Flöte ersetzt) begnügen, was aber nicht weniger erotisch abgeht.
Ich ja, die Musik: ist sie doch bisweilen schöner als die Wirklichkeit. Hier erinnert sie an Rossini, legt Anklänge an Mozart an den Tag. Und die durchweg süßlich-melancholische Stimmung wird durch einen Chor der Schäfer gehoben, hier verkörpert von den Männern des Lausanner Opernchors. Beide Solisten bewältigen die so überaus dankbaren wie virtuosen Aufgaben mit Bravour.
Das alles währt kurzweilige 38 Minuten, live mitgeschnitten noch vor Corona-Zeiten im Opernhaus von Lausanne, in denen die Beteiligten fein und aufmerksam miteinander musizieren. Das Booklet ist leider nur in Französisch und Englisch gehalten, die italienischen Gesangstexte sind lediglich ins Französische übersetzt. Was aber dem Hörgenuss keinen Abbruch tut. Denn alles läuft auf ein dramatisches, wenngleich wenig glückliches Ende hin: Als Teolinda die Schäfer anstiften will, ihren Angehimmelten zu fangen und ihr beizubringen, stellt jener einfach das Spielen ein und verduftet unerhörter Weise, was ausgiebig Gelegenheit gibt, in neuen, kunstvoll kolorierten Liebesschmerz zu verfallen. Wirklich hübsch.
Armin Kaumanns