Giacomo Meyerbeer

Gli Amori di Teolinda

Lenneke Ruiten (Sopran), Davide Bandieri (Klarinette), Orchestre de Chambre de Lausanne, Ltg. Diego Fasolis

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Claves
erschienen in: das Orchester 03/2021 , Seite 71

Raritätenalarm. Dieses rei­zende Stückchen Musiktheater hat das Zeug zum Hit. Giacomo Meyer­beer, der wieder in Mode gekom­mene Komponist von Hugenotten, Afrikanerin und etlichen weiteren großen französischen Opern, hat mit Gli Amori di Teolinda ein Mo­nodram für Sopran, Klarinette, Männerchor und Orchester ge­schrieben, das ziemlich einzigartig geblieben ist. Komponiert für den befreundeten Star-Klarinettisten Heinrich Baermann und seine sin­gende Frau, die Sopranistin Helene Harlaß, ist diese szenische Kantate schon bald vom Ruhm der Meyer­beer’schen großen Opern erdrückt in den Schubladen gelandet. In Nachkriegszeiten gebührte (Mez­zo)Sopranistin Astrid Varnay das Verdienst, es wiederentdeckt und mustergültig aufgeführt zu haben.
Jetzt haben sich das Kammer­orchester aus Lausanne und sein Leiter Diego Fasolis erneut ans Werk gemacht: mit Erfolg. Denn auf der Einspielung des für penible Aufnahmen geschätzten Schweizer Labels Claves kommen die originel­len Details dieser Pastorale ganz vorzüglich zur Geltung.
Daran haben zu gleichen Teilen die niederländische Sopranistin Lenneke Ruiten und der Soloklari­nettist des Orchesters, Davide Ban­dieri, Anteil. Denn die im Titel ver­heißenen „Liebschaften“ der Heldin geschehen vor allem in der Sphäre der Fantasie – und sind eher eine Anhäufung von Liebeskummer-Ausbrüchen. Die Schöne ist verliebt in den betörend Panflöte spielenden Hirten Armidoro, der sie allerdings weder kennt noch von ihr etwas wissen will. Deshalb muss sie sich in schmachtvollen Duetten mit der Klarinette (die zu diesem Zweck die Flöte ersetzt) begnügen, was aber nicht weniger erotisch abgeht.
Ich ja, die Musik: ist sie doch bisweilen schöner als die Wirklich­keit. Hier erinnert sie an Rossini, legt Anklänge an Mozart an den Tag. Und die durchweg süßlich-melancholische Stimmung wird durch einen Chor der Schäfer geho­ben, hier verkörpert von den Män­nern des Lausanner Opernchors. Beide Solisten bewältigen die so überaus dankbaren wie virtuosen Aufgaben mit Bravour.
Das alles währt kurzweilige 38 Minuten, live mitgeschnitten noch vor Corona-Zeiten im Opernhaus von Lausanne, in denen die Betei­ligten fein und aufmerksam mitei­nander musizieren. Das Booklet ist leider nur in Französisch und Eng­lisch gehalten, die italienischen Ge­sangstexte sind lediglich ins Fran­zösische übersetzt. Was aber dem Hörgenuss keinen Abbruch tut. Denn alles läuft auf ein dramati­sches, wenngleich wenig glückliches Ende hin: Als Teolinda die Schäfer anstiften will, ihren Angehimmel­ten zu fangen und ihr beizubringen, stellt jener einfach das Spielen ein und verduftet unerhörter Weise, was ausgiebig Gelegenheit gibt, in neuen, kunstvoll kolorierten Liebes­schmerz zu verfallen. Wirklich hübsch.
Armin Kaumanns

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