Händel, Georg Friedrich
Giulio Cesare in Egitto
3 CDs
Mit der ebenso spektakulären wie (anfangs umstrittenen) Inszenierung von Händels Oper Giulio Cesare in Egitto durch Richard Jones setzte Peter Jonas 1994 zu Beginn seiner Intendanz an der Bayerischen Staatsoper ein markantes Zeichen, das zugleich den Beginn der Händel-Renaissance in München einläutete. 2002 wurden vom Label Farao fünf Vorstellungen mitgeschnitten, die nun auf CD erschienen sind. Immer wieder ist in Zusammenhang mit dieser Giulio Cesare-Produktion von einer “Kultinszenierung” die Rede. Beim Hören des Mitschnitts ist das Fehlen der Szene bedauerlich, die sich durch laute Bühnengeräusche akustisch bemerkbar macht. Eine DVD-Produktion wäre vielleicht sinnvoll gewesen, um auch die optischen Qualitäten der Regie und der Ausstattung mit dem berühmten Dinosaurier zu dokumentieren.
Zwar hat Ivor Bolton das Bayerische Staatsorchester im Laufe der Jahre auf ein ansprechendes historisch-informiertes, fast vibratoloses Musizieren eingestimmt, das zudem durch Farbigkeit und geschickt gesetzte dramatische Höhepunkte auch bei dieser Aufnahme für sich einnehmen kann, maßstabsetzend ist das Musizieren nicht nur wegen der akustischen Einschränkungen des Mitschnitts aber sicher nicht. Im Vergleich mit der Referenz-Studioeinspielung bei Harmonia Mundi durch René Jacobs und fulminant aufspielende Concerto Köln hier bilden Jennifer Larmore als Cäsar und Barbara Schlick (Cleopatra) ein hervorragendes Liebespaar oder auch der auf Konzertmitschnitten basierenden Einspielung von Marc Minkowski mit den ebenfalls auf Originalinstrumenten musizierenden Les Musiciens du Louvre bei der Deutschen Grammophon mit dem hinreißenden Protagonistenpaar Marijana Mijanovic/Magdalena Koená sind Maßstäbe gesetzt, die weder Bolton noch die Münchner Sänger ganz erreichen können. Neben diesen Einspielungen klingen Bolton und das Münchner Orchester gelegentlich etwas zu behäbig, können nicht immer durchgängig die Spannung halten. Zudem wirkt die Münchner Solistenbesetzung nicht ganz ausgewogen.
Hervorragend ist die brillant-sinnliche, virtuose Koloraturen beisteuernde Cleopatra der Susan Gritton, während es 2002 Ann Murray schon hörbar an stimmlicher Frische und gerundeter Höhe für die Titelpartie mangelte, die vor allem von der Erfahrung und Interpretationskunst der Sängerin profitiert. Gestalterisch überzeugend ist der Countertenor Christopher Robson als Tolomeo, rollendeckend sein Kollege Axel Köhler (Nireno), Patricia Bardon trifft den Trauerton für die Cornelia, die unglückselige Gattin des ermordeten Pompeo, genau, während ihr Sohn Sesto von Katarina Karnéus als emotional packender Rächer auch stimmlich überzeugend angelegt ist. Marcello Lippi (Achilla) und Jan Zinkler (Curio) runden das Ensemble niveauvoll ab. Insgesamt ein Mitschnitt, der bei aller vorhandener musikalischer Qualität vor allem als Dokument der neuen Händel-Pflege in München zu sehen ist, die von den Aktivitäten von Jonas und Bolton geprägt wurde.
Walter Schneckenburger