Mayr, Simon

Ginevra di Scozia

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Oehms Classics OC 960
erschienen in: das Orchester 12/2014 , Seite 74

Die Zeiten, als Simon Mayr nur als Lehrer Donizettis erwähnt wurde, scheinen endgültig vorbei zu sein. Wichtigen Anteil daran hat die nahe seines Geburtsorts Mendorf in Ingolstadt beheimatete rührige Simon-Mayr-Gesellschaft. Inzwischen ist nicht nur eine historisch-kritische Ausgabe der Werke Giovanni Simone Mayrs – am 14. Juni 1763 als Simon Mayr geboren, am 12. Dezember 1845 in Bergamo gestorben – bei Ricordi im Erscheinen begriffen. Viele seiner Kompositionen sind inzwischen auch auf dem CD-Markt zugänglich. Hans Neuenfels’ vielbeachtete Inszenierung von Mayrs Medea in Corintho an der Bayrischen Staatsoper ist zudem bei Arthaus als DVD-Mitschnitt erschienen (siehe das Orchester 3/12). Als eine weitere sehr hörenswerte CD-Produktion einer Mayr-Oper ist nun Ginevra di Scozia bei Oehms Classics erschienen, inzwischen die fünfte Oper des Komponisten bei diesem Label. Mitgeschnitten wurde sie 2013 in Ingolstadt bei einer konzertanten Aufführung durch das ebenso plastisch wie klangschön spielende Münchner Rundfunkorchester unter der Leitung von George Petrou.
Uraufgeführt wurde Ginevra di Scozia 1801 im damals zu Österreich gehörenden Triest und war danach 30 Jahre lang ein fester Bestandteil des Repertoires vieler bedeutender Opernhäuser. Die Handlung ist eine intrigenreiche Viereckskonstellation, es gibt viele dramatische ebenso wie lyrisch-intensive Momente, inklusive eines märchenhaften Lieto Fine. Bei der Uraufführung wurde die Rolle des Ritters Ariodante, der seine Geliebte vor den Intrigen von Polinesso rettet, von dem Kastraten Luigi Marchesi gesungen, die Schurkenrolle des Polinesso wurde mit einem Tenor besetzt. Dass die Kastratenpartie des Helden Ariodante nun von einer Mezzosop­ra­nistin übernommen wurde – auf ein Experiment mit einem Countertenor verzichtete man – überzeugt. Leider schweigt sich das wenig informative Booklet über die Aufführungsgeschichte der Oper ebenso wie über Besetzungsfragen aus.
Die stilistische Kompetenz von George Petrou ist indes immer zu spüren und er leitet das auf modernem Instrumentarium sehr klangschön musizierende Münchner Orchester überzeugend. Petrou unterstreicht die Brückenfunktion des zweiaktigen „Drama eroica“ zwischen der Wiener Klassik des späten Mozart hin zur frühen romantischen Oper Italiens. Myrto Papatanasiu ist eine bei aller anrührenden Emotionalität nie weinerliche Ginevra, die sich nicht auf die Opferrolle reduzieren lässt, auch wenn sie in den hochvirtuosen Passagen gelegentlich etwas verhärtet klingt. Mit geschmeidigem, aber dennoch markantem Mezzo singt Anna Bonitatibus die heroische Partie des Ariodante, der Tenor-Gegenspieler Polinesso wird bei aller Hinterlist von Mario Zeffiri nicht als plakativer Bösewicht gesungen. Magdalena Hinterdobler gestaltet überzeugend den Liebeshunger der Dalinda. Die weiteren Rollen sind ebenso überzeugend besetzt wie auch der von Martin Steidler vorbereitete Männerchor des Heinrich-Schütz-Ensembles Vornbach seinen Part ohne Fehl und Tadel angeht. Eine wichtige Ergänzung der Simon-Mayr-Diskografie.
Walter Schneckenburger