George Gershwin

Gershwin-Melodies

Thilo Wolf Jazz Quartett, Münchner Rundfunkorchester, Ltg. Enrique Ugarte

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: BR Klassik
erschienen in: das Orchester 5/2024 , Seite 72

Thilo Wolf, aus Fürth stammender, im Jazz beheimateter Pianist, Komponist und Arrangeur des Jahrgangs 1967, zeigt in einem sehr persönlichen Zugriff auf Kompositionen von George Gershwin viel Geschmack und musikalische Intelligenz. Bei der hier besprochenen CD mit dem von Enrique Ugarte geleiteten Münchner Rundfunkorchester als Begleiter für Wolfs Jazz Quartett (darin Norbert Nagel an Saxofon und Klarinette, Marcus Schieferdecker am Bass sowie Jean Paul Höchstädter am Schlagzeug) geht Wolf einen anderen Weg als bei CD-Aufnahmen etwa Fazıl Says mit dem New York Philharmonic Orchestra, Wayne Marshalls mit dem ­Aalborg Symphony Orchestra und Simone Dinnersteins mit dem MDR-­Sinfonieorchester Leipzig: Er nutzt die Fähigkeiten und Möglichkeiten einer Jazzgruppe ebenso konsequent wie Qualität und Volumen eines sinfonischen Orchesters.
Schon der erste Titel Somebody Loves Me beginnt mit machtvollem Schlagwerk und ebensolchem Orchestereinsatz der Streicher und Bläser. Das darauffolgende Summertime gliedert auch die Improvisationen des Trios mit stets neu abwechslungsreichen Elementen in überzeugender Weise. Die Ballade Embraceable You hat alles, was bei diesem Titel erwartet werden kann an Lyrik und Eleganz auch im Melos von Thilo Wolfs Chorus am Klavier. Fascinating Rhythm wird in wirklich zügigem Tempo geboten, und auch Marcus Schieferdecker kann mit seinen lockeren Kontrabass-Linien begeistern. Bei The Man I Love passt Norbert Nagel seine Linien in der Klangfarbe an den Stil des Jazz in Gershwins Lebenszeit an. Nach den improvisierten Schluss-Chorussen in rasendem Tempo wird auf einen radikalen Stopp hin ein schillernd vibrierender orchestraler Schlusspunkt gesetzt.
Die nächste verblüffende Überraschung ist bei It Ain’t Necessarily So, der kabarettistischen Nummer des Sportin’ Life in Gershwins Oper Porgy And Bess, fällig: Thilo Wolf und Enrique Ugarte warten mit fetzigen Akkordeon-Passagen auf, die uns daran denken lassen, dass – zumindest in früheren Zeiten – quasi eine Art von Weltmeisterschaften für das Schnellspielen mit diesem Instrument veranstaltet worden sind. Nach einer opulenten mit großem Pomp (plus quasi allerlei Circumstances) vorgetragenen Introduktion zum trocken-sachlichen Liebeslied Our Love Is Here To Stay swingt das Klaviertrio ganz locker los, mal kommentiert von den Holzbläsern, mal von den chorischen Streichern, bevor schepperndes Schlagzeug und das ganze Orchester den wirkungsvollen Schlusspunkt setzen.
Wenn am Ende nach They Can’t Take That Away From Me diese CD ausklingt, kann mit dem Brustton der Überzeugung gesagt werden, dass Thilo Wolf und sein Quartett sowie auch das Münchner Rundfunkorchester im Aufnahmestudio wirklich ihr Bestes gegeben haben.
Günter Buhles