Herzogenberg, Heinrich von

Geistliche Chormusik

a cappella

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Carus, Stuttgart 2011
erschienen in: das Orchester 04/2012 , Seite 66

Musste der interessierte Chorleiter bei der Auswahl geeigneter Literatur bislang auf Einzelausgaben oder die vor ca. 30 Jahren bei Bärenreiter verlegten vier Choralmotetten op. 102 zurückgreifen, so ist jetzt mit der Vorlage der im Auftrag des Vereins „Internationale Herzogenberg-Gesellschaft“ von Konrad Klek bewerkstelligten Edition der A-cappella-Werke des in Graz geborenen, im ausgehenden 19. Jahrhundert in Leipzig und Berlin nachhaltig wirkenden Komponisten und Dirigenten Heinrich von Herzogenberg eine umfangreiche Werkschau vorhanden, aus deren Fundus sowohl der nach kleinen Gebrauchswerken suchende Kirchenchorleiter wie auch der ambitionierte Dirigent eines Konzertchors wesentliche Impulse erhalten kann.
Wie bei Carus üblich beginnt die Edition mit einem ausführlichen, in diesem Fall 18 Seiten umfassenden Vorwort, das sowohl das Leben Herzogenbergs (1843-1900) als auch seine Verbindungen zu den Zeitgenossen, angefangen vom großen Vorbild Johannes Brahms bis hin zu den als Lektoren seiner Werke hochgeschätzten Brüdern Philipp und Friedrich Spitta, aufzeigt und in umfassenden Analysen die einzelnen Werke nahe bringt.
Der Verfasser gliedert das Schaffen in drei Perioden. Die erste ist wesentlich bestimmt von der Leitung des Bach-Vereins zu Leipzig (1875-1884). Aus dieser Zeit ragt die in textlicher Nachbarschaft zu Bachs Motette Lobet den Herrn, alle Heiden (über Ps. 117) als op. 34 im Jahr 1880 entworfene Vertonung von Psalm 116 mit einem durchdachten architektonischen Grundriss heraus. Die meisterhafte Beherrschung der kontrapunktischen Satztechnik, eine chromatische Finesse, eine bildhafte, aus dem Text geborene, die Abschnitte des Psalms unterstreichende Homofonie belegt schon hier das große Können des Komponisten.
Neben diesem einzelstehenden Psalm 116 sind die übrigen Werke der Carus-Ausgabe thematisch gereiht: Es finden sich liturgische Gesänge aus op. 81 – zumeist im Umfang von ca. 40 Takten – zur Adventszeit, des Weiteren zur Epiphanie und Passion, gefolgt von den Werken zum Totensonntag und Erntedank. Nicht vergessen wurden auch die kleineren Chorsätze zu Kasualien, diese im Wesentlichen, wie auch die liturgischen Gesänge, angeregt durch den jüngeren Spitta-Bruder Friedrich, der in Straßburg ein blühendes akademisches Kirchenchorwesen ausprägte.
Abgerundet ist die Edition durch die Motettenzyklen op. 102 und 103. In op. 103 schrieb Herzogenberg für eine große, sechs- bis achtstimmige, teilweise doppelchörige Chorbesetzung vier Motetten über Lobe den Herrn, meine Seele, Komm, Heiliger Geist, Ist doch der Mensch gar wie Nichts und Wohl dem, der den Herrn fürchtet und bewies aufs Neue, dass er in der Tradition von Mendelssohn und Brahms für die Weiterentwicklung der deutschen Bibelmotette nicht zu unterschätzende Verdienste errungen hat.
Alle Werke seiner ausgewählten geistlichen Chormusik sind bei Carus auch als Einzelausgabe erhältlich.
Joachim Neugart