Yammine, Georges
Funkelnde Hoffnung
Das West-Eastern Divan Orchestra und die Kraft sder Musik, hg. von Daniel Barenboim
Ein Orchester, das Brücken schlägt, das Menschen zusammenführt, die einander andernfalls wohl kaum je begegnet wären, schon gar nicht miteinander musiziert hätten: Das West-Eastern Divan Orchestra, 1999 in Weimar vom Pianisten und Dirigenten Daniel Barenboim und dem amerikanisch-palästinensischen Literaturwissenschaftler Edward W. Said gegründet, macht das scheinbar Unmögliche möglich, es vereint israelische und arabische Musiker und lässt sie in der Musik ihre Gemeinsamkeiten entdecken. Einer dieser Musiker ist der libanesische Geiger Georges Yammine, der die Arbeit des Orchesters über viele Jahre hinweg fotografisch dokumentiert und diese Fotos nun in einem Bildband veröffentlicht hat.
Dabei erweist sich Yammine als talentierter Fotograf. Seine in konsequentem Schwarz-Weiß gehaltenen Bilder fangen kleine Szenen abseits der großen Bühnen ein, Proben in der Garderobe, Gespräche in den Pausen, vertrauensvolle Gesten zwischen den Musikern. Ein Klarinettist übt lang ausgestreckt auf einer Couch, ein Geiger ist in seine Noten vertieft, im kleinen Kreis wird improvisiert und in Sevilla darf auch ein kleines Mädchen sich mal an der Pauke versuchen. Yammines Bilder sind intim, ohne sich voyeuristisch zu geben, sie gestatten Einblicke in den Alltag eines Orchesters, in dem es ganz besonders um das Miteinander geht, darum, kulturelle und politische Grenzen mit Hilfe der Musik zu überwinden.
Denn diese Grenzen sind wohl spürbar und werden von den Musikern auch offen thematisiert. Sie diskutieren in produktiver Heftigkeit über die Situation im Nahen Osten, schreibt die Musikwissenschaftlerin Julia Spinola in der Einleitung, blicken gemeinsam [
] in die tiefen Gräben, die zwischen ihren Überzeugungen verlaufen, und vertiefen sich anschließend nebeneinander in eine Symphonie. Und manchmal gehen sie auch Risiken ein, etwa bei einem Konzert in Ramallah im Jahr 2005, das trotz der heiklen politischen Lage auf großes Interesse stieß. Ziel des Orchesters ist es, in sämtlichen Herkunftsländern der Musiker aufzutreten, in Israel und den Palästinensergebieten, in Syrien, Jordanien, Ägypten oder der Türkei. Ein ambitioniertes Vorhaben, an das Daniel Barenboim fest glaubt. Musik ist eine universale Sprache, meint er im Interview am Schluss des Buches, und Feindschaft gehört nicht zu ihrem Wortschatz.
Und so ist das West-Eastern Divan Orchestra ein Fanal für Toleranz, für ein Miteinander über tiefe, politische Gräben hinweg. In Georges Yammines Bildern wird dieses Miteinander spürbar, ebenso wie die große Verehrung, die die Orchestermitglieder ihrem verstorbenen Gründer Edward W. Said entgegenbringen: Auf einem Notenpult lehnt über der Partitur das Buch The Edward Said Reader, eine Aufnahme aus der Carnegie Hall in New York: Edward Said reist immer mit. Und auch Edward Saids Botschaft für gegenseitigen Respekt und ein kreatives Miteinander reist mit und bildet die Grundlage der gemeinsamen Arbeit der Musiker. Man wird, meint Daniel Barenboim, ihnen zuhören müssen.
Irene Binal