Bärenz, Martin

Fuge und fünf Variationen über ein heißes Thema

für Blechbläserquintett, Partitur mit Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Merseburger, Kassel 2014
erschienen in: das Orchester 05/2015 , Seite 75

Blechbläserensembles sind ja bekannt dafür, ihre Konzertprogramme gerne mit sogenannten „heiteren“ Stücken aufzulockern oder interessant zu gestalten. Der erste flüchtige Blick auf das Cover dieser Ausgabe scheint genau darauf hinzuweisen: Die ersten, verkleinert abgebildeten Takte der Partitur zeigen CAFE in Tönen und Buchstaben als Idee der Komposition. Das weckt sogleich das Interesse des Musikers! Auf dem Boden historisch bewährter Form (Variation und Fuge) wird hier augenzwinkernd die Reihenfolge umgedreht. Und schon befindet man sich auf höchst seriösem, kompositorisch gekonntem Gebiet, in dem die thematische Gestalt Grundlage für die Fuge sowie die fünf Variationen bildet, die dem jeweiligen Intrument zugeordnet sind.
Inspiration für diese Komposition gab das Motto des Kultursommers Rheinland-Pfalz 2014 „Mit allen Sinnen“. Und so geht es in dem Quintett musikalisch und in übertragenem Sinn um den Geschmackssinn, den die zahlreichen Formen der Kaffeezubereitung anregen sollen. Sehr schön ist das dem Komponisten gelungen, indem er jedem Instrument eine Kaffee-Variante als Titel und als musikalisch unverwechselbares Charakteristikum zuordnet.
Bereits das Lesen der Partitur bereitet Genuss. „Mokka“ (für die Tuba solistisch komponiert) eröffnet in bester griechisch-türkischer Tradition die Vorstellung, dass sich nach Genuss der Kaffee als Bodensatz wiederfindet. „Café au lait“ (Horn) mildert nach kurzem Aufschäumen in ruhigem Dreiertakt die Strenge des Geschmacks. „Coffee to go“ (Posaune) im Stil eines Ragtimes lässt den Kaffeetrinker gleichzeitig seine Arbeit nicht unterbrechen und sie dennoch mit Genuss verrichten. „Koffeinfrei“, nicht nur in die 2. Trompete gelegt, auch für alle Instrumente con sordino zu spielen, beschreibt sozusagen die gedämpfte Wirkung des Kaffees, dem das Koffein entzogen ist. Das musikalische Mittel hierzu besteht darin, die Töne des Hauptmotivs CAFE nur alle zwei Takte auftauchen zu lassen, noch dazu im ruhigsten Tempo aller Variationen. Schließlich der „Espresso, Tempo di Tarantella“ in flottem Sechsachteltakt, Solo der 1. Trompete. Allerlei Synkopen geben dem Stück seine Dichte, ein kurzes Innehalten auf Fermaten mit anschließender Stretta beschließt das originelle Werk.
In jeder der fünf Variationen bekommt das solistisch geführte Instrument die ihm adäquaten Ausdrucks- und Stilmittel zugewiesen. Martin Bärenz gelingt das mit offenbar leichter Hand. Widmet man sich einer
genaueren Untersuchung – was hier zu weit führen würde –, erkennt man mehr als nur Fantasie im Originellen. Die Fuge beginnt nach alter Lehre regelkonform, fordert die Spieler im Siebenachteltakt zu besonderer Konzentration, lässt Gebilde wie Krebs nicht aus und wirkt doch immer leicht und luftig. Ebenso lassen sich auch in den Variationen bemerkenswerte Entdeckungen machen.
Das Notenmaterial ist gut leserlich. Dennoch muss mal wieder darüber geklagt werden, dass die Aufbereitung manchen Stimmmaterials es für Aufführungen schier unmöglich macht, ohne hilfreiche Kopien Seiten zu wechseln. Provozieren die Verlage hiermit nicht Normübertretungen?
Peter Hoefs