Werke von Antiono Bazzini, Henri Vieuxtemps, František Ondříček und anderen

From Belcanto to Jazz. Opera Phantasies from 150 Years

Volker Reinhold (Violine), Ralph Zedler (Klavier)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Musikproduktion Dabringhaus und Grimm
erschienen in: das Orchester 12/2019 , Seite 71

Was heute Konzerte mit Filmmusik sind, waren im 19. Jahrhundert Opernfantasien. Arien etwa aus Verdis Traviata waren damals genauso populär wie jetzt Morricones Musik zu Spiel mir das Lied vom Tod. Deshalb lag es für Virtuosen nah, über Opernmelodien zu improvisieren. Wenn sie Melodien aus einer Oper anklingen ließen, begann bei den Zuhörern eine Art Kopfkino: Sie sahen vor ihren Augen die Szenen und tauchten in die wechselnden Stimmungen des Musikdramas ein. Manche Virtuosen schrieben diese Improvisationen nieder und nannten sie Fantasien.
Dieses weithin unbekannte Repertoire entdeckten Volker Reinhold und Ralph Zedler in ihrer neuen CD. Sie legen einen Schwerpunkt auf den Violinvirtuosen Henri Vieuxtemps, von dem sie die Fantasie sur Faust de Ch. Gounod und über die Norma von Bellini, die gänzlich auf der G-Saite zu spielen ist, ins Programm nehmen. Doch ebenso interessant ist die Fantasia über Verdis Traviata von Antonio Bazzini und František Ondříčeks Fantaisie über Glinkas Ivan Susanin. Der Ausflug in den Jazz mit Frolovs Concert Fantasy über Gershwins Porgy and Bess ist ebenso unterhaltend wie virtuos. Drei dieser Fantasien sind Weltersteinspielungen.
Doch sind diese Fantasien von mehr als nur historischem Interesse? An dieser Stelle kunstvoll auskomponierte Werke auf der Höhe von Schumann- oder Brahms-Kompositionen zu erwarten, wäre sicherlich zu viel verlangt. Es ist Virtuosenmusik im besten Sinn des Wortes: unterhaltend und geistvoll und voller Emotionen durch den Einsatz des ganzen Spektrums der Violintechnik. Indem diese Musik beweist, dass klassische Musik auch unterhaltend sein kann, leistet diese Einspielung einen wichtigen Beitrag, ein breiteres Publikum für sie zu begeistern.
Dies gilt umso mehr, als die beiden Interpreten geradezu prädestiniert für diese Aufgabe erscheinen. Volker Reinhold ist kein Virtuose, der seine stupende Technik in den Vordergrund stellt. Vielmehr erweckt er den Anschein, dass selbst die schwierigsten Dinge, wie z. B. die gesamte Norma-Fantasie auf der G-Saite zu spielen, ganz einfach sind. Er lässt bei Läufen, Doppelgriffen, bei den kompliziertesten Strichkombinationen die Technik vergessen. Bei ihm erscheint vielmehr diese Musik von einer großen Leichtigkeit und vor allem von melodiösem Ausdruck erfüllt zu sein. Dass Reinhold sich dann auch noch als veritabler Jazzgeiger entpuppt, zeigt sein immenses musikalisches Spektrum.
Ralph Zedler ist von Beruf Repetitor, was ihn zu einem idealen Begleiter macht. Ihm gelingt es auf dem Klavier, ein ganzes Opernorchester hervorzuzaubern, dabei dennoch durchsichtig und transparent zu spielen und vielfältige Klangfarben dem Instrument abzuringen. Zudem hat er einen sehr informativen Booklettext verfasst. So bleibt als Fazit: eine rundum gelungene Einspielung.
Franzpeter Messmer