Peter Kamber
Fritz und Alfred Rotter
Ein Leben zwischen Theaterglanz und Tod im Exil
Sie waren die Könige der Operette, nicht nur in Berlin. Doch ihr Thron stand auf wackligen Füßen, denn fast alles, was sie mit ihren Theatern verdienten, verspekulierten Fritz und Alfred Rotter gleich wieder an der Börse. Doch weniger ihre Schulden als vielmehr der sich stetig verschärfende Antisemitismus nicht nur der Nazi-Presse trieb sie außer Landes. Das ist, zugespitzt, die These, die der Zürcher Historiker Peter Kamber in seinem Buch präsentiert. Sie ist nicht neu, aber an diesem Beispiel überzeugend und schaudern machend zu veranschaulichen. Wohlweislich legten die Brüder ihren Geburtsnamen „Schaie“ ab, bevor sie sich auf den Karriereweg machten, der Name sollte ihnen vielfach in den Hetzartikeln wiederbegegnen. Doch soweit ist es noch nicht, denn die Rotters starteten mitten hinein in die sogenannten Goldenen Zwanziger und noch dazu im Genre der Operette. Da gibt es Glanz und Glorie, Stars und Storys zu erzählen und Kamber tut das weidlich. Massary, Tauber, Lehár sind die „It“-Namen dieser Zeit, und man erfährt eine Menge.
Flirrend und amüsant kommt nicht nur die Operette, sondern auch das Buch daher. Immer wieder schlägt Kamber Merksätze ein, wie Alfred Rotters Credo, das Publikum komme in die Operette, um zu weinen. Zu Inflationszeiten gab es Richard Tauber für 90 Pfennig zu erleben. Das liest sich so weg, bis es mit dem „Glaubenskrieg“ der großen Theaterkritiker um die leichte Muse interessant wird. Herbert Jhering spießte gern den „Rottergeist“ auf, ihr Metier sei das „Hoftheater der Revolutionsgewinner“. Nicht weniger böse Alfred Kerr: „Der Rotter wächst mit seinen größeren Zwecken.“ Doch „das Ergebnis jahrelanger intensiver Recherche“ Kambers, wie der Klappentext lobt, hat auch seine Schattenseiten. Selbst bekannteste Operetten stellt er ausführlich wie ein Theaterführer vor. Zitate werden nicht konzentriert, sondern oft unnötig ausgebreitet. Dagegen bleibt das Tun und Trachten der „Theaterpolizei“ unerklärt. Und Fritz Rotter wird noch einmal als „Perückengrete“ geoutet, es fehlt fast nur die Kleidergröße. Zur Geschichte trägt das nichts bei. Und so kommt Kamber erst nach 370 Seiten Glanz und Krisen zum mörderischen Ende. „Volksgenossen“ wollen die nach Liechtenstein Geflohenen 1933 „heim“ holen, ein Überfall samt Waffen war vorbereitet; viele Zeitungen leisteten mit Hetzkampagnen („Schädlinge“, „Theaterjuden“) Beihilfe. Das alles erzählt Kamber, als hätte er daneben gestanden. Schließlich werden Alfred und Gertrud Rotter auf einer Wiese totgeschlagen, Fritz Rotter kann fliehen, stirbt 1939 in Colmar. Verdienstvoll, dass die üble Rolle der Justiz herausgestellt wird, die die Mörder zu Mini- Strafen verurteilt und fix begnadigt. Doch insgesamt ist Peter Kamber oft zu nah dran, fügt der hässlichen Zeitstimmung Spekulationen, auch mal Banalitäten bei, die das Gesamtbild eher schwächen.
Ute Grundmann