Georg Günther
Friedrich Schillers musikalische Wirkungsgeschichte
Ein Kompendium. Teil 1 + 2
Schiller sei „ein für Componisten gefährlicher Dichter“. So befand schon 1811 Johann Friedrich Reichardt, der selbst immerhin 56 Schiller-Vertonungen vorgelegt hat, obwohl er dem Dichter in gegenseitiger Abneigung verbunden war. Unbeschadet dieser nicht ganz rankünefreien Äußerung standen unter anderem Schillers freier Umgang mit der Metrik und die intellektuelle Färbung seiner Texte wie auch seine autonome Sprachkraft der intuitiven Umsetzung in Musik entgegen.
Dennoch fanden die Gedichte und Dramen des schon früh zum „Lieblingsdichter des deutschen Volkes“ erhobenen und (gerne auch missbräuchlich) vereinnahmten Klassikers zahlreiche Vertonungen in verschiedenen Gattungen – von der Oper und dem Lied über Melodramen, Kantaten, Schauspielmusiken und chorische Werke bis zu Instrumentalstücken wie Programm-, Kammer- und Klaviermusik sowie sinfonischen Dichtungen vor allem, aber durchaus nicht nur des 19. Jahrhunderts. In diese Reihe gehören auch populäre Aneignungen Schillers sowie Parodien, Huldigungsmusiken und Werke, denen neben „geflügelten Worten“ des überaus beliebten Dichters auch gefälschte Schiller-Texte unterlegt waren.
Die reiche Fülle dieser musikalischen Rezeptionszeugnisse ist bisher nur teilweise erforscht worden. Das vorliegende zweibändige „Kompendium“ von Georg Günther, ein Wunderwerk gelehrten Sammelfleißes und umfassender Kompetenz, verarbeitet und sichtet nun rund 3200 Musikstücke von etwa 1700 Komponisten aus mehr als 200 Jahren. Der einschlägig glänzend ausgewiesene Musikwissenschaftler hat mit seiner imponierenden Herkulesarbeit, die er mit einer vorzüglichen Einleitung eröffnet, den üppigen Bestand an Namen und Werktiteln durch mehrere Register erfasst, mit Querverweisen strukturiert und durch bewundernswürdige Kommentare in Bezug gesetzt. Entstanden ist ein schier unentbehrliches Nachschlagewerk, das nicht nur der Musik-, sondern auch der Schiller-Forschung wertvolles Material erschließt.
Dabei ist das Werk keine übliche Untersuchung und kein darstellendes Lesebuch. Aber in den zahlreichen, teilweise weit ausholenden und penibel recherchierten Kommentaren zu einzelnen Kompositionen und ihren Autoren steckt ein wahrer, oft noch ungehobener Schatz an Informationen, Erläuterungen und Geschichten zu ihrer Entstehung, Bedeutung, Verbreitung und Wirkung, die den Benutzer dann eben doch zum Leser machen, der sich genussvoll schmökernd in diese Abhandlungen vertieft – etwa auch zum oben erwähnten Verhältnis Schillers zu dem „impertinenten Menschen“ Reichardt.
Schiller ist beileibe nicht der meistvertonte deutsche Dichter und wird hier vor allem von Goethe, aber auch etwa von Uhland oder Heine übertroffen. Aber die Spuren, die er in der Musikgeschichte hinterlassen hat, sind von unerreichter Vielfalt. Diese herausragende Qualität gewürdigt und nachprüfbar gemacht zu haben, ist das bleibende Verdienst dieses vorzüglichen Grundlagenwerks.
Rüdiger Krohn