Werke von Debussy, Ravel und Franck

French Violin Sonatas

Kristóf Baráti (Violine), Klára Würtz (Klavier)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Brilliant Classics
erschienen in: das Orchester 07-08/2020 , Seite 75

Als Claude Debussy im Kriegswinter 1916 begann, die Violinsonate als dritten Teil einer auf sechs Stücke projektierten Reihe von Kammermusikwerken zu komponieren, wusste er, dass die 1909 diagnostizierte und inzwischen weit fortgeschrittene Krebserkrankung sein Leben bald beenden würde. So blieb die im Mai 1917 uraufgeführte Sonate sein letztes Werk, und vielleicht nicht von ungefähr nimmt sie geschichtlich zurückblickend Bezüge auf Rameau und Couperin. Der Kopfsatz „Allegro vivo“ beginnt mit einer gleichsam höfischeleganten Melodie, und Kristóf Baráti nutzt die Möglichkeit, den edlen Ton der ihm von der Stradivarius Gesellschaft zur Verfügung gestellten Geige zu feiern. Die Interaktion mit dem Klavier (Klára Würtz) lässt an Sonaten der Barockzeit denken. Im zweiten Satz „Intermède, fantasque et léger“ können beide Interpreten mit perfekt ausgeführten, stark rhythmischen Passagen glänzen. Das Finale, „très animé“, profitiert von kraftvoll dynamischer Gestaltung. Die 1924 erstmals gespielte Sonate Maurice Ravels, des zweiten großen Impressionisten, bietet nicht zuletzt wegen ihrer Jazz-Elemente und einem mit „Blues“ überschriebenen Abschnitt im zweiten Satz eine andere, eher heitere Atmosphäre. Dem Stück war übrigens schon 1898 ein Versuch vorausgegangen, der aber erst 1975 posthum veröffentlicht wurde. Nach dem recht langen, von der Violine dominierten „Allegretto“ zu Beginn imitiert Baráti in der Einleitung des zweiten Satzes den Klang eines Banjos in einer Band des New-Orleans-Stils. Die Melodie dieses „Blues“ erinnert an „Summertime“ aus der Oper Porgy and Bess und ist damit eine kleine Verbeugung Ravels vor seinem Bewunderer George Gershwin. Deftige Passagen mit knackigen Pizzicati und gehämmerten Akzenten des Klaviers sind eine klare Annäherung an den Jazz. Das „Perpetuum mobile, allegro“ führt diese Idee fort wie im Galopp. Der einer deutschen Familie entstammende und im belgischen Lüttich geborene, in Paris ausgebildete César Franck, fast zwei Generationen älter als Debussy und Ravel, ist natürlich ein Vertreter der französischen Musik. Seine Violinsonate war ein Hochzeitsgeschenk für den Geiger Eugène Ysaÿe und ist von diesem 1916 in einem Brüsseler Museum vorgestellt worden. Ganz der Romantik verpflichtet, zählt die fünfsätzige Sonate zu den beliebtesten Werken ihrer Art. Im „Allegretto ben moderato“ gefällt wiederum Barátis gesangliche Phrasierung. Aus virtuos vorgetragenen Läufen von Würtz heraus erfolgt im Allegro mit der Violine eine geradezu dramatische Steigerung. Das „Recitativo“ und das Finale bescheren dem Hörer ähnliche Kontraste. Die Ungarn Baráti und Würtz versammeln auf ihrer CDs wirklich die Gipfelwerke der Violinsonaten in Frankreich, von denen es noch ein – im Jahr vor Francks Werk – uraufgeführtes Beispiel von Camille Saint-Saëns gibt sowie eine Sonate von Francis Poulenc aus dem Jahr 1943: vielleicht Stoff für eine Folge-CD?
Günter Buhles