Debussy, Ravel und Fauré

French Songs for Flute & Harp

Andrea Manco (Flöte), Stefania Scapin (Harfe)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Brilliant Classics
erschienen in: das Orchester 05/2021 , Seite 87

Eine nahe liegende Idee, französische Lieder – oder Mélodies, was dem deutschen Begriff Kunstlied entspricht – für Flöte und Harfe einzurichten, denn wie am Spiel von Stefania Scapin zu hören ist, hat die Harfe wesentlich mehr Klangfarben zu bieten als das Klavier. Weniger erfreulich, dass es im Booklet keine näheren Informationen zu den Liedern gibt und dass weder Texte noch Dichter mitgeteilt werden (der Hinweis, die Texte seien auf der Seite des Labels verfügbar, ließ sich nicht verifizieren). Die Qualität einer solchen CD-Produktion definiert sich nicht nur über den musikalischen Beitrag, sondern wesentlich auch über die inhaltliche Aufarbeitung und Präsentation des eingespielten Materials.

Die Auswahl der Lieder von Debussy, Ravel und Fauré – Letztere verbunden durch ein Lehrer-Schüler-Verhältnis, erlaubt einen anregenden Quereinstieg in das von diesen drei Komponisten qualitativ maßgeblich bestimmte französische Liedschaffen. Von Debussy wurden mit Nuit d’étoiles und Beau Soir sehr eingängige und schon anderweitig bearbeitete Lieder gewählt, während seine Deux Romances weniger beliebt sind, wohl wegen der mehr sprachbetonten Führung der Gesangsstimme. Hinzu kamen zwei bekannte Klavierstücke, Rêverie und Arabesque I, die durch die Bearbeitung zwar nicht an Substanz gewinnen, sich aber nahtlos in die gleichmäßig fließende Gestimmtheit der ersten beiden Lieder einfügen, weshalb sich die damit kontrastierenden Romanzen doch als gute Wahl erweisen.

Für die Cinq mélodies populaires grècques und Deux mélodies hébraïques ließ sich Ravel von den musikalischen Merkmalen ihrer Herkunfts-Nationalitäten inspirieren. Sie bieten der Flöte reiche Ausdrucks- und Artikulationsmöglichkeiten. Auch die Begleitung wurde vom Komponisten sehr abwechslungsreich gestaltet, setzt rhythmisch und musikalisch Akzente.

Von Fauré wurden sechs Lieder ausgewählt, LesBerceaux, Clair de lune, En prière, Chanson d’amour, Notre amour und Après un rêve, und zusätzlich noch die Sicilienne aus seiner Bühnenmusik zu Pélléas und Melisande, die mit Harfe mehr Effekt macht als in der gewohnten Klavierfassung. Melodisch eingängig, ohne im geringsten trivial zu sein, wirken seine Lieder unmittelbar flötengeeignet. Hier könnte man sich eine Edition der Bearbeitungen sehr gut vorstellen.

Gelungen ist die Übertragung der Gesangstimmen: Mit nur gelegentlichen Oktavierungen und geschickter Tonartwahl bleibt der stimmliche Ambitus gut erhalten. Das dynamisch differenzierte, aber vorwiegend klangorientierte Spiel des Flötisten Andrea Manco wirkt auf Dauer ein wenig zu gleichförmig: Mit gutem Grund zielen Böhms Hinweise zur Darstellung von Liedern auf Verdeutlichung durch Artikulation (in Die Flöte und das Flötenspiel).

Alles in allem bietet die CD des italienischen Duos aber eine wertvolle und notwendige Einführung in die hierzulande immer noch viel zu wenig bekannte französische Liedkunst.

Ursula Pešek