Saint-Saëns / Chausson / Ysaÿe / Ravel

French Impressions

Works for violin and orchestra

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Warner Classics 2564 67181-4
erschienen in: das Orchester 03/2013 , Seite 73

Geschickt, das Cover der Warner-Classics-CD, auf der Violine und Haar der Geigerin gleichmaßen rot herausstechen! Rachel Kolly d’Alba präsentiert eine Kollektion von Werken für Violine und Orchester: French Impressions. Rachel Kolly d’Alba – wer ist noch einmal diese Interpretin? Das CD-Beiheft sollte die notwendigen Informationen liefern, doch: Fehlanzeige! Zwar finden sich (aus der Feder der Musikerin) ausführliche Erläuterungen zur Musikgeschichte um 1900, zu den Komponisten und Werken, Dankesworte für Eltern und Tochter, Freunde und Förderer, doch Biografisches sucht man leider vergebens. Das Internet verrät mehr und informiert, dass die Solistin aus der Schweiz stammt, bereits mit fünf Jahren Violinunterricht erhielt und als begabteste Nachwuchsmusikerin ihres Landes gilt.
In der Tat: Die French Impressions, Kolly d’Albas zweite CD nach den Solosonaten von Ysaÿe, können durchweg überzeugen. Werke an der Schwelle vom 19. zum 20. Jahrhundert hat die Lausannerin eingespielt, von französischen Komponisten (Saint-Saëns, Chausson und Ravel), ergänzt um zwei Miniaturen ihres Favoriten, des Belgiers Eugène Ysaÿe. Schon die ersten Solotakte des leider zu selten gespielten, herrlichen dritten Violinkonzerts von Saint-Saëns präsentieren eine Geigerin mit einem satten und warmen, ja geradezu süffigen Ton; fast ausladend ihr Vibrato, dezent, nur gelegentlich zu ausgeprägt ihre Glissandi.
Technisch gelingt Kolly d’Alba auch Schwierigstes, wie in der Ra­vel’schen Tzigane, ohne Fehl und Tadel, brillant und mit virtuosem Zugriff. Ihre Interpretationen geraten hochemotional, sind temperamentvoll und so berstend vor Intensität, dass es einem als Zuhörer manchmal den Atem verschlägt. Die Geigerin versteht sich aber auch auf die leisen und intimen Töne und vermag in der Berceuse de l’enfant pauvre und dem Rêve d’enfant (mit einer Orchestrierung der Solistin) auch ihre lyrischen Qualitäten unter Beweis zu stellen.
Als Höhepunkt der CD darf sicherlich das Poème von Chausson angesehen werden: In sich versunken gestaltet die Solistin die Einleitung, findet zu schillernden und facettenreichen Klängen, lässt die herrliche Vuillaume-Geige strahlen und weit ausgreifend rhapsodisch aussingen. Das Orchestre National des Pays de la Loire unter John Axelrod begleitet Chausson und Ravel subtil und einfühlsam ebenso wie das Orchestre Symphonique Bienne mit Jean-Jacques Kantorow am Pult die Werke von Saint-Saëns und Ysaÿe. Eine betont poetische CD, die 2012 den ICMA (International Classic Musical Awards) Concerto Award gewonnen hat. Auch die nachfolgende CD American Serenade mit Werken von Waxman, Gershwin und Bernstein, bei der Kolly d’Alba die Zusammenarbeit mit John Axelrod fortsetzte, ist für den ICMA Concerto Award 2013 nominiert. Nun würde man sich einmal eine Einspielung mit klassischem oder barockem Repertoire wünschen, um das künstlerische Spektrum der Solistin noch besser einschätzen zu können.

Wolfgang Birtel