Werke von Françaix, Widor, Poulenc und anderen
French Holidays
John Finucane (Klarinette), Elisaveta Blumina (Klavier)
Warum die CD mit einem repräsentativen Querschnitt französischer Musik für Klarinette und Klavier des 19. und 20. Jahrhunderts ausgerechnet den englischen Titel French Holidays trägt, ist wohl nur mit Marketing-Gründen zu erklären. Den Kern der eingespielten Werke bekannter und wenig bekannter Komponisten trifft dagegen eher die Überschrift des Booklet-Textes Mit Gesang und Virtuosität.
Die Abfolge der Werke unterliegt keiner erkennbaren Programmatik. Mit dem 1974 geschriebenen, chronologisch jüngsten Stück Tema con variazioni aus der Feder von Jean Françaix eröffnen der irische Klarinettist John Finucane und seine in St. Petersburg aufgewachsene Klavierpartnerin Elisaveta Blumina die CD. Die Handschrift des Komponisten ist darin unverkennbar: Musik ist für ihn einerseits geistreiche Unterhaltung in die ersten drei Töne hat er den Namen seines Sohnes Olivier, des Widmungsträgers, hineinkomponiert , andererseits ein Spiel mit der Virtuosität der Musiker, das von den Interpreten überzeugend dargeboten wird.
Charles-Marie Widors Introduction et Rondo op. 72 ist 1898 als Beitrag für die alljährlichen Prüfungen des Pariser Konservatoriums entstanden und enthält daher verschiedene technische Aspekte im Klarinettenpart, die dem Studenten Gelegenheit geben, sich auszuzeichnen. Der Klavierpart ist aber keineswegs auf eine reine Begleitfunktion reduziert, sodass sich das Stück als vollwertige Kammermusik behaupten kann.
Mit zwei markanten Sonaten wird die Einspielung fortgesetzt: Francis Poulencs dreisätzigem effektvollem Werk von 1962 und Camille Saint-Saëns romantischem viersätzigem Pendant von 1921. Die Interpreten spielen beide Werke mit technischer Souveränität und musikalischer Übereinstimmung. Allerdings vermisst man etwas Spontaneität. Die Tempi sind stellenweise zu langsam, sodass die Musik nicht den nötigen Schwung entfaltet und die Spannung halten kann. Insbesondere betrifft dies den Scherzo-Satz bei Saint-Saëns. Durch eine flexiblere Tongebung und eine differenziertere Realisierung der Dynamikangaben könnten weitere Ausdrucksnuancen erzielt werden.
Zwei an traditionelle Formen anknüpfende, eingängige kürzere Werke, Gabriel Piernés Canzonetta op. 19 und Sarabande et Allegro von Gabriel Grovlez, ergänzen den Querschnitt durch die französische Klarinettenmusik, bevor mit Claude Debussys Première Rhapsodie von 1909/10 das kompositorisch gewichtigste Werk den Abschluss bildet.
Die spieltechnischen Hürden dieses Werks werden zwar bravourös gemeistert, aber ohne großen Glanz zu entfalten. Der Klarinettenton ist in der Mittellage in leisen Passagen nicht ganz klar und schwingt nicht frei genug. In den ruhigen Teilen fehlt die innere Spannung, und im Scherzando-Abschnitt des Anfangs übergeht Finucane die geforderte Beschleunigung des Tempos.
Die French Holidays sind demnach nicht ganz ungetrübt: Es herrscht nicht nur strahlender Sonnenschein, mitunter ziehen auch einige Wolken auf
Heribert Haase