French Cello

Werke von Léon Boëllmann, Camille Saint-Saëns, Gabriel Fauré und Éduard Lalo Marc Coppey (Violoncello), Orchestre philharmonique de Strasbourg, Ltg. John Nelson

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Audite
erschienen in: das Orchester 10/22 , Seite 67

Es war im deutschen Musikleben eine Binsenweisheit, dass es für das Cello wenige bedeutende Konzerte gebe. Diese Aussage bezog sich vor allem auf die Epochen bis zur Romantik im deutschsprachigen Raum. Und tatsächlich waren drei Werke des zwischen Barock und Wiener Klassik angesiedelten Carl Philipp Emanuel Bach, zwei von Joseph Haydn und das 1850 geschaffene Opus 129 von Robert Schumann eher solitäre Erscheinungen. Seit dem 19. Jahrhundert sind vor allem in Frankreich interessante Stücke geschaffen worden, etwa von Henri Vieuxtemps, Arthur Honegger und den auf dieser CD French Cello versammelten Komponisten. Interpret ist der 1969 in Straßburg geborene Marc Coppey, der 1988 den Leipziger Bach-Wettbewerb gewann, im Folgenden mit Yehudi Menuhin zusammenarbeitete und von 1995 bis 2000 Mitglied des renommierten Ysaÿe Quartetts war.
Das Album wird eröffnet von den Variations symphoniques Opus 23 von Léon Boëllmann. Der im Alter von nur 35 Jahren an Tuberkulose verstorbene, als Organist an der Pariser Kirche St.Vincent de Paul bekannt gewordene Musiker komponierte vor allem für die Orgel, hat aber auch Werke in anderen Gattungen hinterlassen, so etwa diese Variations. Das 13-minütige Stück ist von der Orchestersprache her spätromantisch geprägt. Nach einem wuchtigen Ensemble-Akkord entwickelt das Soloinstrument einen von ihm angeführten Dialog mit dem von dem amerikanischen Dirigenten John Nelson geleiteten Orchestre philharmonique de Strasbourg. Coppey agiert souverän, lässt sich trotz der Anwesenheit des großen Orchesters nicht zu permanentem Forte-Spiel verleiten, sondern balanciert vielfältig die Volumen aus. Besonders inspiriert zeigt er sich beim weitgeschwungenen Melos gegen Ende des Stücks.
An die einleitenden Variations schließt sich auf der CD das Cello Concerto No. 1 von Camille Saint-Saëns an. Nach knappen Orchester-Akzenten führt der Solist im Allegro bezeichneten Kopfsatz das immer wieder stark ausgeprägte Laufwerk seines Parts mit sicherer Virtuosität und Vitalität aus, die dialoghaften Passagen erklingen vollendet. Im Mittelsatz Allegretto con moto und ebenso im mit Allegro non troppo bezeichneten Finalsatz gelingt eine überzeugende Interpretation. – Das kurze „Le cygne“ aus dem Carneval ist am Ende der CD gleichsam als Füllsel angehängt.
Gabriel Faurés Élégie wird als Zwischenspiel vor dem Cello concerto d-minor von Éduard Lalo geboten. Auch hier gestaltet Coppey seinen Part mit großer Präsenz. Zwischen dem Kopfsatz Lento – Allegro maestoso mit einem vom Solisten vor dem lebhaft agierenden Orchester pointiert tänzerisch dargebotenen Ausklang und dem Finalsatz Andante – Rondo, beide von weitgehend lyrischem Charakter, steht ein ungewöhnliches Intermezzo. Dieses erweist sich mit kraftvollen Deklamationen und markanten dynamischen Kontrasten als das Kernstück des Werks. Der zeitlich und dynamisch markanteste Satz des Konzerts endet in einem packenden Allegro presto.
Günter Buhles