Robert Schumann
Frauenliebe und Leben
Liederzyklus nach Gedichten von Adelbert von Chamisso. Transkription für Sopran und Streichquartett von Aribert Reimann
Mit Frauenliebe und Leben (2018–2019) erweitert Aribert Reimann die Reihe seiner Transkriptionen von Klavierliedern aus dem 19. Jahrhundert für Singstimme und Streichquartett um einen Zyklus. Adelbert von Chamissos acht Gedichte aus der Perspektive einer Verliebten, Geliebten, Verlobten, Verheirateten, Mutter und schließlich Witwe wurden in der Vertonung Schumanns wohlbekannt, vielfach aufgeführt und eingespielt, geliebt, belächelt und gehasst. Die Aufmerksamkeit, die dem Zyklus durch die heutige Gender-Sensibilität zuteil wird, könnte dazu einladen, das Werk im Rahmen einer Transkription zu kommentieren, neu zu kontextualisieren oder zu verfremden. Reimanns Bearbeitung jedoch enthält sich nicht nur eines Kommentars, sondern weitestgehend auch eines interpretierenden Zugriffs. So werden neben der Singstimmenführung die Vortrags- und Spielanweisungen Schumanns übernommen, Ambivalenzen wie etwa die nur den Begleitstimmen zugeordnete Fermate in T. 82 von „Ich kann’s nicht fassen, nicht glauben“ bleiben bestehen.
Der originale Tonsatz Schumanns bildet den Bezugspunkt sowohl für die Harmonik und Motivik als auch für Begleittexturen, die sich so nah wie spieltechnisch möglich an ihre pianistischen Vorlagen halten. Die Reduktion der Töne manch eines vollgriffigen Klavierakkords oder einer Bassoktave führen zu dem Umstand, dass die vier Streichinstrumente einen insgesamt dünneren und durchsichtigeren, zugleich aber weiter im Tonraum gespreizten Klang erzeugen als das originale einzelne Klavier. Dies kommt besonders im Lied Er, der Herrlichste von allen zur Geltung. Die überwiegende Verlagerung der pulsierenden Achtelbegleitung um eine Oktave nach oben, kombiniert mit der Schwächung der gewohnten (und selten zurückhaltend gespielten) Klavierbässe durch Tremoli und gezupfte Töne des Cellos, führen bei aller Originaltreue zu einem gänzlich neuen klanglichen Ergebnis, das geradezu darauf hinweist, dass in Schumanns Klavierfassung alle Forte-Angaben der Singstimme zugeordnet sind, während das Klavier immer wieder zum Piano ermahnt wird.
Schumanns Anlage der instrumentalen Zwischen- und Nachspiele in Form von kurzen, zwischen den Registern wandernden Motiven und Melodien kommt die Darstellung durch vier Instrumente zugute, da diese gleichberechtigt zur Geltung gebracht werden und sich überdies in ihrer Funktion abwechseln, etwa indem Viola und Violoncello sowohl Bass- als auch Mittelstimmen übernehmen.
Reimanns Transkription ist dem delian::quartett und Claudia Barainsky gewidmet, die das Werk auch uraufgeführt und eingespielt haben. Somit steht Interessentinnen und Interessenten neben dem Notentext zugleich eine klangliche Referenz zur Verfügung.
Sören Sönksen