Gabriele Schulz/ Olaf Zimmermann (Hg.)

Frauen und Männer im Kulturmarkt

Bericht zur wirtschaftlichen und sozialen Lage

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Deutscher Kulturrat
erschienen in: das Orchester 02/2021 , Seite 60

Mit dem Künstlerreport von 1975 richteten Karla Fohrbeck und Andreas Wiesand vor 45 Jahren nicht nur zum ersten Mal die Scheinwerfer auf die sozialen und ökonomischen Bedingungen von Kulturarbeit in Deutschland, sondern begründeten auch eine Reihe von einschlägigen Publikationen, die Politik und Öffentlichkeit von da an mit allen wünschenswerten Informationen, Statistiken und Trends versorgten. Das jüngste Beispiel ist von Mitarbeitern des Deutschen Kulturrats zusammengestellt und ergänzt durch ein Kapitel über „Die Chancen des SOEP [Sozio-oekonomischen Panels] für den Diskurs um künstlerische und kulturelle Arbeit“ von Lisa Basten und Sigurt Vitols vom Wissenschaftszentrum Berlin.
Der Kulturmarkt umfasst ein weites Spektrum von Buchhandel, Verlagswesen, Journalismus, Medienwirtschaft, Produkt- und Industriedesign, Architektur, Bildender Kunst, Kunsthandwerk, Theater-, Film- und Fernsehproduktion, Schauspiel, Unterhaltung, Museum und anderen. Alle nur wünschenswerten Daten zu Ausbildung, Beschäftigungsverhältnissen und Einkommen werden detailliert aufgelistet, teils nach Bundesländern sortiert und mit zurückliegenden Jahren bis 2013 verglichen. So werden Entwicklungen sichtbar, etwa bezüglich der Berufswahl von Frauen und Männern: An den Ausbildungsstatistiken zeigt sich, dass Frauen immer noch konservativ entscheiden, dass ihr Anteil etwa im Jazz- und Popbereich, in den Dirigier- und Kompositionsklassen deutlich unter 40 Prozent liegt und dass sie technikaffine Berufe des Kultur- und Mediensektors, wo der größte Bedarf an Arbeitskräften besteht, eher meiden. Der Gender Pay Gap, d. h. die geschlechts-spezifischen Unterschiede im Verdienst, ist in allen Kulturbereichen gleichbleibend fatal; allein bei den Festangestellten in Ostdeutschland ist seit 2015 zu beobachten, dass Männer geringfügig weniger verdienen als Frauen.
In Zeiten, in denen durch Corona Existenzen vor allem ausübender Musiker bedroht sind, liegt es nahe, das Augenmerk auch auf die sogenannten Solo-Selbstständigen zu richten. Seit 2009 ist die Zahl der Selbstständigen in der Musikwirtschaft von 13 862 auf 14382 gestiegen, proportional noch stärker die Zahl der Mini-Selbstständigen (von 20 668 auf 23098). Mini-Selbstständige sind Musikschaffende, deren Jahresumsatz unter 17 500 Euro liegt und die daher keine Umsatzsteuer abführen müssen. Viele von ihnen erfüllen die Anforderungen an eine Mitgliedschaft in der Künstlersozialversicherung nicht.
Einkommensschwankungen und „hybride“ Arbeitsformen (abhängige Beschäftigung plus selbstständige Erwerbsarbeit) sind nicht nur in Krisenzeiten problematisch, sondern machen auch Altersvorsorge schwierig. Hierzu hat der Deutsche Kulturrat eine Stellungnahme verabschiedet. Eine zweite Stellungnahme gilt der Geschlechtergerechtigkeit im Kultur- und Medienbereich und schlägt Maßnahmen zur schrittweisen Umsetzung vor. Beide Texte seien nicht nur Politikern, sondern auch Kultur- und Medienverbänden dringend empfohlen.
Freia Hoffmann