Chaker, Sarah / Ann-Kathrin Erdély (Hg.)

Frauen hör- und sichtbar machen…

20 Jahre "Frau und Musik" an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Institut für Musiksoziologie, Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, Wien 2010
erschienen in: das Orchester 06/2012 , Seite 60

„Für jede Art von sozialer Bewegung bedarf es Menschen, die unermüdlich und mutig zusammenarbeiten“, so die Komponistin Nancy Van de Vate. Ein solcher Mensch ist die österreichische Musiksoziologin Elena Ostleitner. Seit 1975 am Institut für Musiksoziologie an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (mdw) tätig, Autorin zahlreicher Pub­likationen zur Genderforschung, Herausgeberin von Schriftenreihen und einer CD-Edition, gehört sie zu den Begründerinnen der musikwissenschaftlichen Frauenforschung und ist sicherlich eine ihrer profiliertesten Vertreterinnen.
Ihr Institut und ihre Kolleginnen Ann-Kathrin Erdély und Sarah Chaker haben ihr zum Jubiläum „20 Jahre Frau und Musik“ an der mdw eine Festschrift gewidmet, die wissenschaftliche Beiträge von Autorinnen und Autoren aus Österreich, Deutschland und der Schweiz enthält: am markantesten wohl ein Aufsatz über Gender-Aspekte in Bachs Weihnachtsoratorium von Christine Siegert, ein Beitrag über Frauen in der österreichischen Arbeitersängerbewegung von Hartmut Krones und der Briefwechsel zwischen Annette Kreutzinger-Herr, Thomas Schipperges und Melanie Unseld über die Frage, wie notwendig und gerechtfertigt es (noch) ist, Genderforschung in separierten Räumen und Publikationen zu betreiben.
Die Hochschullehrerin Elena Ostleitner wird sichtbar in zehn Auszügen aus Examensarbeiten und Dissertationen, die sie betreute. Die Fähigkeit, Studentinnen und ausübende Musikerinnen für wissenschaftliche Arbeit zu motivieren, sie zur „beinahe schon kriminalistischen“ Recherche in Archiven und Bibliotheken anzuregen – auch das ist ein wesentliches Verdienst von Frauenförderung. Während hier einige zu Unrecht vergessene Frauen „hör- und sichtbar“ gemacht werden, ist es im Fall von Beethovens „Oberhofmeisterin“ Nanette Streicher gelungen, ein einseitiges Musikgeschichts-Bild zu korrigieren und dieser Frau zu einer eigenständigen Biografie als Instrumentenbauerin, Pianistin und Kulturförderin zu verhelfen. Sehr lesenswert auch ein Text von Carole Dawn Reinhart (Professorin für Trompete an der mdw) über „Blechbläserinnen und die International Women’s Brass Conference“ und ein Bericht über die „Situation der Musikerinnen in den Orchestern Wiens 1950-1997“ von Margit Quendler. Dass unter den Verfasserinnen und Verfassern von Kurzbeiträgen in der „Tabula Gratulatoria“ auch Clemens Hellsberg, Vorstand der Wiener Philharmoniker, vertreten ist, wirkt besonders anrührend, hat sich Elena Ostleitner doch jahrelang in der Auseinandersetzung um die Aufnahme von Frauen in dieses Orchester engagiert.
„Genderbezogene Forschung ist – dank Frauen wie Elena Ostleitner – im ‚mainstream‘ angekommen“ – so das abschließende Fazit des Institutsdirektors Alfred Smudits. Es ist zu hoffen, dass sie dort ihren prominenten Platz behält.
Freia Hoffmann