Francesco Geminiani

The Art of Playing on the Violin

Gottfried von der Goltz (Violine), Mitglieder des Freiburger Barockorchesters: Annekatrin Beller (Violoncello), Torsten Johann (Cembalo) und Thomas C. Boysen (Theorbe)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Aparté
erschienen in: das Orchester 01/2018 , Seite 73

Unter den Schriften Francesco Geminianis (1687-1762) gilt das 1751 als op. 9 erschienene Lehrwerk The Art of Playing on the Violin als wichtigste Arbeit, ist dieses Traktat doch eine der frühesten Abhandlungen zu diesem Thema und gleichzeitig das erste Schulwerk, in dem – wenn auch noch in eher bescheidenem Maße – methodisch in das Violinspiel eingeführt wird. Für Geminiani ist die technische Ausbildung eines Geigers untrennbar mit der musikalischen Interpretation der verschiedenen Ausdruckswerte verbunden. Hieraus erklärt sich auch der Umstand, dass das Traktat neben einer allgemeinen Anleitung zum Violinspiel und 24 genau erläuterten Übungen zwölf Kompositionen für Violine und Basso continuo enthält, in denen die technischen Problemstellungen dezidiert mit der Ausdrucksebene verknüpft werden.Diese kurzen Stücke – als „twelve pieces in different Stiles“ beispiels­weise auf unterschiedliche Tanztypen oder Eigenschaften des pathetischen Stils langsamer Sätze zurückgreifend – bilden den Ausgangspunkt der Produktion, den die Interpreten um eine Wiedergabe zweier Sonaten aus Geminianis Sonate a violino e basso op. 4 (1739) ergänzen. Dadurch ergeben sich für die CD zwei etwa gleich lange Abschnitte: Der erste lässt zwar, da die Stücke aus op. 9 oft harmonisch voneinander abgesetzt sind, keinen größeren musikalischen Zusammenhang aufscheinen, zeigt aber geradezu exemplarisch, auf welche Weise Geminiani jeweils spezifische technische Probleme und Affektdarstellung miteinander verknüpft. Die zweite Hälfte wiederum deckt auf, welchen Rang das im Lehrwerk didaktisch aufbereitete
Material in der Praxis anspruchsvoller Sonatenkunst und ihrer formal ausgefeilteren Werkarchitekturen einnimmt.Gottfried von der Goltz tastet, unterstützt von einer elastisch auf die führende Violine reagierenden Continuogruppe mit Annekatrin Beller, Torsten Johann und Thomas C. Boysen, den voller detaillierter Anweisungen steckenden Violinpart der zwölf Stücke akribisch nach seinen Ausdrucksmöglichkeiten ab und macht dabei deutlich, welches enorme Potenzial in kleinen Verzierungen, Schwellern, dynamischen Wechseln oder agogischen Verzögerungen harmonischer Zielpunkte verborgen ist.Für denjenigen, der am Nachvollzug historischer Entwicklungen interessiert ist, erweisen sich die kleinen Kompositionen als ganzer Kosmos, der in weitaus stärkerer Fokussierung als die Sonaten viel über Stand und Erfordernisse des zeitgenössischen Violinspiels verrät. Auch die Anordnung der Werke auf der CD macht viel Sinn, hört man doch die Sonaten zum Abschluss mit weitaus mehr Aufmerksamkeit für die kleinen Details. Dass die Auswahl zudem auf jeweils ein Werk in Moll (Sonata VIII fis-Moll) und eines in Dur (Sonata VI D-Dur) fiel, rückt nicht nur die Affektunterschiede zwischen den beiden Tongeschlechter in den Blick, sondern zeigt auch, wie sorgfältig die gesamte Produktion durchdacht ist.
Stefan Drees