Four Corners!

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Gebr. Alexander Mainz
erschienen in: das Orchester 06/2012 , Seite 76

Über Blechbläser-CDs mit Bearbeitungen welcher Musik auch immer, aufgenommen vor allem mit dem Ziel, die Perfektion der Interpreten herauszustreichen – darüber kann man sich leider zu oft ärgern. Diese düstere Vorrede soll aber nicht weitergeführt werden, sondern lediglich deutlich machen: Es lassen sich unter gleichen Vorzeichen auch hervorragende, ja exzeptionelle Aufnahmen realisieren. Die vorliegende Einspielung mit dem Hornquartett der Berliner Philharmoniker gehört dazu.
Es handelt sich um die zweite CD, die die renommierte Hornmanufaktur Gebrüder Alexander aus Mainz im Eigenverlag herausgegeben hat – vor allem als PR-Maßnahme vermutlich, die ihr Ziel freilich nicht verfehlen wird. Stand im Mittelpunkt der ersten Aufnahme die Berliner Hornistin Sarah Willis, so wird sie jetzt von den Kollegen Stefan Dohr, Fergus McWilliam und Klaus Wallendorf unterstützt. Kenner wissen: Eine bessere Koppelung hat Deutschland derzeit kaum zu bieten, denn das Quartett ist schon aus dem Orchesterdienst bestens aufeinander eingespielt.
Dies ist dann auch der entscheidende Trumpf, den die vier Philharmoniker spielen können: ein sensationell homogener Klang, der bei Bedarf eine Vielfalt erreichen kann, die schlicht vergessen lässt, dass hier nur vier Hörner am Start sind. Das liegt natürlich auch an den strahlenden Spitzentönen von Solohornist Stefan Dohr. Doch die wahre Entdeckung dieser CD ist die Basstauglichkeit des Horns, wahlweise gestopft oder mit Dämpfer, das es hier durchaus mit dem Klang einer Tuba aufnehmen kann. Da wird der naturgemäß dichte Hornsound plötzlich aufgefächert – das Quartett wird zu einem Orchester.
Man kann diese Aufnahme ohne Abnutzungserscheinungen mehrmals hintereinander hören, ein Schmankerl ist schöner als das andere. Western-Melodien, Südamerikanisches, Chansons, Strauß, Puccini, Japanisches und dann wieder Brahms. Die Arrangements stammen in erster Linie von den Interpreten selbst, die – wie im Fall von Klaus Wallendorf (einem Urgestein von German Brass) – damit langjährige Erfahrung haben.
Ein Stück hat es mir jedoch ganz besonders angetan, es ist ein Geniestreich des Arrangeurs Wallendorf und aller vier Interpreten: eine Bearbeitung der an sich abgenudelten „Halle des Bergkönigs“ aus Griegs Peer-Gynt-Suite, die mit gestopften Hörner im dritten Untergeschoss beginnt und sich zu einem wahnwitzigen Veitstanz steigert. Dieses Stück zeigt, was möglich ist mit vier Hörnern.
Wie schon bei der ersten Alexander-CD wartet am Ende, quasi in der Auslaufrille, eine Überraschung: Nach mehreren Minuten Pause (und ohne Hinweis im liebevoll gestalteten Booklet) hebt ein gar nicht so kurzes „Making Of“ der Aufnahme an, das zugleich treuherzig die Schwächen eines jeden Hornisten offen legt. Denn bis diese Aufnahme in ihrer ganzen Perfektion stand, waren offenbar nicht nur zwei oder drei Durchläufe nötig. Ohne Kieksen geht es eben nicht, auch nicht bei den Berliner Philharmonikern. Trotzdem traut man sich danach nur mit Mühe, das eigene Instrument wieder in die Hand zu nehmen.
Johannes Killyen