Frank Schneider

Form und Klang

Essays und Analysen zur Musik von Friedrich Goldmann

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Von Bockel
erschienen in: das Orchester 06/2021 , Seite 62

So richtig im Musikleben der neuen Bundesrepublik angekommen sind nach der Wiedervereinigung 1990 viele der einst in der DDR aktiven Komponisten nicht, es sei denn, dass sie bereits vorab mit ihrem Œuvre im Westen präsent waren – wie Friedrich Goldmann. Goldmann, 1941 bei Chemnitz geboren, konnte seit Mitte der 1970er Jahre seine Werke nicht nur in der DDR, sondern auch in der BRD und im westlichen Europa zur Aufführung bringen. Der Verbreitung seiner Musik kam zugute, dass er auch vielfach als Dirigent wirkte und in dieser Rolle aktiv für seine eigene Musik eintreten konnte.
Der vorliegende Band mit „Essays und Analysen“ zur Musik von Friedrich Goldmann versammelt anlässlich dessen 80. Geburtstags über die Jahre hinweg einzeln entstandene Texte, die Frank Schneider verfasst hat, ein Weggefährte des Komponisten seit gemeinsamen Studientagen und selbst renommiert als Musikwissenschaftler wie als Praktiker im Musikleben. Was hier sammelnd zusammengefasst ist, sind seit etwa 1970 entstandene Zeitschriftenartikel, Werkeinführungen, Rundfunkbeiträge und Kritiken, dazu einige unveröffentlichte Manuskripte und eigens für dieses Buch verfasste Originalbeiträge.
„Essays zu einem Porträt“ von Friedrich Goldmann bilden den Beginn, in dem dessen kompositorische Entwicklung gleichermaßen gewürdigt wird wie seine Rolle als Lehrer und Dirigent. „Gespräche und Interviews“ bietet der wiederum kürzere Schlussabschnitt, wobei sich als besonders lesenswert ein ausführlicher ästhetischer Diskurs zwischen Schneider und Goldmann erweist, der um die Zentralbegriffe „Gehalt“ und „Technik“ kreist. Den Hauptteil im Zentrum des Bandes machen die „Analysen von Werk zu Werk“ aus, wobei der Schwerpunkt, ganz dem Œuvre Goldmanns entsprechend, auf dessen Orchester- und Kammermusik liegt. Berücksichtigt wird jedoch auch die Vokalmusik sowie die Opernfantasie Hot nach dem Stück Der Engländer von Lenz, mit der Goldmann einen Ausflug in Richtung Musiktheater unternahm.
Dass Friedrich Goldmanns Musik „zu wenig gehört wird, weil sie zu selten zu hören ist“, beklagt Frank Schneider in seiner Trauerrede auf den Komponisten aus dem Jahr 2009. Schneider hat auch für die Gegenwart recht: Zumindest auf lieferbaren Tonträgern ist Goldmanns Œuvre nicht angemessen vertreten. Fündiger wird man immerhin bei Internet-Recherchen, wo komplette Aufnahmen oder Auszüge aus Werken Goldmanns zu entdecken sind, die schon an ihren teils der Überlieferung folgenden, teils freien Titeln Goldmanns Position zwischen Traditionsbewahrung und -aufbrechung umreißen: Da finden sich herkömmliche Gattungsbegriffe wie Sinfonie, Sonata, Streichquartett und Konzert, aber eben auch „Essays“, „Klang-
szenen“ oder Überschriften wie „zerbrechlich – schwebend“, „fast erstarrte Unruhe“ und „Sisyphos zu zweit“. So hat der Leser wenigstens dank YouTube die Chance, zahlreiche der Frank Schneider’schen Analysen von Goldmanns Musik hörend nachzuvollziehen.
Gerhard Dietel