Frederick II

Flute Sonatas

Claudia Stein (Flöte), Andreas Greger (Cello), Alessandro De Marchi (Klavier)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Naxos
erschienen in: das Orchester 03/2021 , Seite 77

„Sein Spielen übertraf in manchen Punkten alles, was ich bisher unter Liebhabern, oder selbst von Flötisten von Profession gehört hatte.“ So lobt der weitgereiste englische Musikschriftsteller Charles Burney 1772 das Flö­tenspiel Friedrichs II. Auch die berühmte Sängerin Elisabeth Mara attestiert ihm 1770 „einen starken, vollen Ton und viel Fertigkeit“. Der König wurde von seinem Flötenlehrer Johann Joachim Quantz, der aus Dresden nach Berlin gekommen war, auch in Komposition unterrichtet.
Eine Auswahl der Flötensonaten (davon vier Ersteinspielungen) hat nun Claudia Stein, auch gebürtige Dresdnerin und heute Soloflötistin der Staatskapelle Berlin und Dozentin an der Barenboim-Said Akademie, bei Naxos eingespielt. Begleitet wird sie höchst aufmerksam und einfühlend von ihren Kollegen Andreas Greger, dem Solocellisten der Staatskapelle Berlin, und Alessandro De Marchi, Cembalist, Pianist und Dirigent, der auf einem originalgetreuen Nachbau eines Silbermann-Flügels aus dem Besitz des Königs spielt. Die besondere Ausdrucksfähigkeit dieses Flügels und der noble Klang des Violoncellos verbinden sich zu einem derart einheitlichen und weichen Klangbild, dass man manchmal glaubt, ein Instrument zu hören, über dem die Flöte schwebt.
Die musikalische Substanz der Sonaten ist erstaunlich. In den ausdrucksvollen langsamen Sätzen, oft mit Rezitativen und Kadenzen erweitert, hört man eine ungewöhnliche und „moderne Harmonik“, die schnellen Sätze sprühen von Virtuosität und Lebendigkeit. Claudia Stein präsentiert sie aber auch in unnachahmlicher Weise: betörend ihr kantables und seelenvolles Spiel in den langsamen Sätzen, raumfüllend in den majestätischen, dyna­misch fein abschattiert in den empfindsamen Abschnitten. Perfekte Tech­nik, klingendes Staccato und flirrende Triller hört man in den virtuosen Passagen, die sie mit Leichtigkeit und Spielfreude meistert. Die hohe Kunst der Verzierungs-technik beherrscht Claudia Stein in Vollendung und man hört mit Staunen, welch fantasie- und kunstvollen Ornamente sie erfindet.
Eine Besonderheit dieser CD sind Präludien für die drei Instrumente, die zwischen den Sonaten platziert sind, außerdem Improvisationen über das thematische Material des dritten Satzes der C-Dur-Sonate. Komponiert von Alessandro De Marchi, zeigen sie exemplarisch, wie die damaligen In­terpreten ihre Ideen und Fantasie einbringen konnten, eine Fähigkeit, die wir heutigen Musiker zum großen Teil verloren haben. Ein wunderbares Anschauungsmaterial und Lehrbeispiel aus der Feder eines Barockspezia­listen. Die Präludien für Flöte und Violoncello erinnern an Bachs Solo-werke und fügen sich nahtlos in die Sonaten ein, ebenso ein Präludium von Friedrich Wilhelm Marpurg, einem Berliner Musiktheoretiker und Schrift­steller, mit chromatisch gefärbter Tonsprache. Abgerundet wird die Ein­spielung mit einem höchst kenntnisreichen und lesenswerten Booklet von Detlef Giese, dem leitenden Dramaturgen der Staatsoper Berlin.
Durch die intelligente Programmreihenfolge kann man diese CD wie ein Konzert auf Schloss Sanssouci hören und mit dem König in eine Welt des Schönen und Erhabenen eintauchen.
Thomas Richter