Hartmann Graf, Friedrich

Flute Concertos

Rubrik: CDs
Verlag/Label: cpo 777 724-2
erschienen in: das Orchester 05/2013 , Seite 74

Die Flötenkonzerte von Friedrich Hartmann Graf interessieren nicht nur in musikhistorischer Hinsicht. Sie zeigen, dass es sich lohnt, einmal nicht die schon vielfach eingespielte Literatur wiederzukäuen, sondern stattdessen die Bibliotheken – in diesem Fall die Königliche Bibliothek in Kopenhagen – und Musikaliensammlungen nach Hörenswertem zu durchforsten.
Die Querflöte erlebte im Zeitalter der Empfindsamkeit eine einzigartige Blütezeit. Es gab sehr viele Flöte spielende „Dilettanten“, die mitunter höchsten Kreisen angehörten. Das berühmteste Beispiel ist der Preußenkönig Friedrich II., der ein guter Flötist war und – wie damals häufig – auch ein überaus ambitionierter Komponist für sein Instrument. So sind im 18. Jahrhundert weit über 2000 Flötenkonzerte entstanden. Etwa zwei Drittel davon stammen von deutschen Komponisten; dabei steht Johann Joachim Quantz, der Flötenlehrer Friedrichs des II., durch mehr als 300 Gattungsbeiträge mit weitem Abstand an der Spitze.
Friedrich Hartmann Graf belegt mit mindestens 46 nachweisbaren Flötenkonzerten den dritten Platz. Er genoss als Flötenvirtuose und Komponist zu Lebzeiten hohes Ansehen: Wie heute bei YouTube, so gab es auch damals Subskribentenlisten – z.B. für Flötenkonzerte von Graf. Sie enthielten die Namen zahlreicher hochgestellter Musikliebhaber, Fürsten und Herzöge im gesamten Europa.
Die vier Flötenkonzerte auf dieser CD (allesamt in den 1770er Jahren entstanden) geben, zusammen mit einem sehr guten Booklet-Text, einen ausgezeichneten Einblick in Grafs Konzertschaffen, das stilistisch der Frühklassik zuzuordnen ist. Sie stehen in Tonarten, die für die damalige
in D gestimmte Flöte gut spielbar waren. Die beigesteuerten Kadenzen sind stilgerecht klassisch schlicht, ohne zu oft zu modulieren. Das erste Konzert der CD (C-Dur) erinnert an Carl Philipp Emanuel Bachs Flötenkonzerte. Im Gegensatz dazu klingt im zweiten (G-Dur) schon etwas mehr Mozart an. Hier gibt es im Orchester nicht nur Hörner wie bei den anderen drei Konzerten, sondern auch Oboen. Überall aber sprudelt Graf vor Ideen über.
Eines seiner Flötenkonzerte wurde schon bei Zimmermann verlegt; demnächst erscheint bei der Edition Kossack das besonders schlüssige und gelungene C-Dur-Konzert in einer Ausgabe von Gaby Pas-Van Riet, der Solistin der vorliegenden CD. Die Stimmen des D-Dur-Konzerts und des letzten Konzerts der CD sind bei IMSLP zu finden. Dort sind auch zwei weitere Graf’sche Flötenkonzerte eingestellt.
Für die Aufnahme wurde das Instrumentarium der heutigen Zeit gewählt. Gaby Pas-Van Riet, u.a. seit 30 Jahren Soloflötistin des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart, kostet mit gut konturiertem Flötenspiel das Galante der virtuosen und gefühlvollen Konzerte aus. Das Südwestdeutsche Kammerorchester Pforzheim begleitet sie unter der Leitung von Johannes Moesus differenziert, entschlossen und einfühlsam.
Barbara Rosnitschek