Mieczysław Weinberg

Flute Concertos Nos. 1 and 2/12 Pieces for Flute and Orchestra/5 Pieces for Flute and Piano

Claudia Stein (Flöte), Elisaveta Blumina (Klavier), Szczecin Philharmonic Orchestra, Ltg. David Robert Coleman

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Naxos
erschienen in: das Orchester 03/2020 , Seite 69

Flötenmusik von Mieczysław Weinberg! Für Flötisten ein unbekanntes Land? Die Soloflötistin der Staatskapelle Berlin, Claudia Stein, hat die Werke für Flöte mit Orchester und Kammermusik mit Klavier anlässlich des 100. Geburtstags des Komponisten eingespielt.
Weinberg wurde 1919 als polnischer Jude in Warschau geboren, musste 1939 vor den Nationalsozialisten fliehen und kam über Minsk und Taschkent nach Moskau. Er starb 1996. Im Westen war er unbekannt, bis es 2010 zur Aufführung seiner Oper Die Passagierin bei den Bregenzer Festspielen kam. Seither setzen sich bedeutende Musiker wie Gidon Kremer und Linus Roth oder auch die Pianistin Elisaveta Blumina für seine Werke ein und es gibt zahlreiche Einspielungen.
Das Konzert Nr. 1 (1961) für Flöte und Streichorchester beginnt schwungvoll, mit folkloristischen Rhythmen und Harmonien, die sofort in eine ganz eigene Klangwelt führen. Claudia Stein besticht mit mitreißender Artikulation, präziser Technik und großem, strahlenden Ton. Die Philharmonie Stettin unter der Leitung von David Robert Coleman ist ihr eine ebenbürtige Partnerin. Im 2. Satz lässt die Flötistin auf dem samtenen Streicherklang einer Passacaglia in einer berührenden Aria ihr Instrument mit goldenem Ton schwerelos singen. Der 3. Satz beginnt mit Klezmer-Klängen vordergründig heiter, steigert sich aber dann furios zum dramatisch-strahlenden Finale.
Das Konzert Nr. 2 mit großem Orchester wurde 1987 für den russischen Flötisten Alexander Korneyev geschrieben, erlebte seine Uraufführung jedoch erst 2001 in der Fassung für Streichorchester. Nach einer ländlich-idyllischen Stimmung im 1. Satz, unterbrochen von einem Staccato-Fugato, zaubern im darauffolgenden Satz die Flötistin und die Streicher mit feinem Pianissimo einen Klagegesang mit fatalistischem Unterton. Der Schlusssatz beginnt tänzerisch, seine Rhythmen lösen sich aber bald auf und geben Raum für kurze Zitate über Themen von Glucks „Reigen seliger Geister“ aus Orfeo ed Euridice und Bachs Badinerie. Eine geniale Hommage an diese beiden berühmten Flötensoli!
Die 12 Miniaturen op. 29 (1945) sind Weinbergs erstes Werk für Flöte und Klavier, das er 1983 auch als 12 Stücke op. 29b für Flöte und Streichorchester arrangierte. Die Introduktion besteht aus einer virtuosen Flötenkadenz, der elf Charakterstücke folgen, mit Titeln wie Burleske, Capriccio, Nocturne, Walzer und Barkarole. Claudia Stein und Elisaveta Blumina interpretieren sie als klanglich aparte Stimmungsbilder mit überraschenden Wendungen und Einfällen.
Die 5 Stücke (1947) für Flöte und Klavier sind eine Ersteinspielung. Eine freie Improvisation über Debussys La fille aux cheveux de lin, drei Tanzsätze, gespickt mit sarkastischem Humor, und eine zu Herzen gehende Melodie bringen die Interpretinnen mit kantablem Ton und tänzerischer Leichtigkeit virtuos zum Klingen.
Thomas Richter