Giulio Briccialdi
Flute Concertos
Ginevra Petrucci (Flöte), I Virtuosi Italiani
Diese Aufnahme mit vier bisher nicht in dieser Form bekannten Konzerten des italienischen Flötenvirtuosen Giulio Briccialdi (1818-1881) ist zwar bereits 2008 erschienen, wurde aber parallel zu ihrer Edition in der Ricordi Flute Library jetzt noch einmal technisch überarbeitet. Genau genommen handelt es sich nicht um Konzerte, sondern um Concertini, in denen ein zwei thematisch-figurative Bereiche enthaltender Abschnitt mit Halbschluss zu einem ruhigen Mittelteil überleitet, dem ein mehr oder weniger folkloristisch gefärbter virtuoser dritter Teil folgt. Dass Briccialdi diese Konzerte besonders geschätzt haben soll, gerade auch für den eigenen Gebrauch, ist angesichts ihrer Konzentration auf musikalisch Wesentliches nicht weiter verwunderlich.
Abgesehen davon, dass die Edition nach den Manuskripten erfolgt ist, gibt das Booklet keine weiteren Informationen zur Einordnung der Konzerte in Briccialdis Werkverzeichnis. Mit dem angegebenen Link www.giuliobriccialdi.com/full-catalogue und, falls zur Hand, mit Gian Luca Petruccis Buch Giulio Briccialdi – Il Principe dei Flautisti lassen sich folgende Bezüge herleiten:
> Konzert Nr. 1 in B-Dur: Terzo Concerto op. 65, Milano 1852, Dorus gewidmet
> Konzert Nr. 2 in e-Moll: Secondo Concertino alla moderna, undatiert
> Konzert Nr. 3 in C-Dur: Concerto brillante op. 119, ca. 1867, Charles Derbaix gewidmet
> Konzert Nr. 4 in As-Dur: Concertino alla moderna op. 104, Milano ca. 1861
Gespielt hat Briccialdi vermutlich meist auf Instrumenten eigener Konstruktion, die Böhms neues Flötenrohr mit den Klappen der alten Flöte verbanden. Obwohl er Böhms konisches Modell schon 1833 – ohne seine Bedeutung zu erkennen – in Livorno kennen gelernt und obwohl Böhm ihm 1847 dann seine (erste) zylindrische Flöte anlässlich eines Werkstatt-Aufenthalts überlassen hatte, empfand Briccialdi die neue Griffweise als unüberwindliches Hindernis für einen Wechsel. Dafür hat seine B-H-Daumendoppelklappe, die er in Zusammenarbeit mit der Londoner Firma Rudall & Carte entworfen hatte, seinen Namen dauerhaft mit dem Böhmflötenbau verbunden.
Schon als ganz junger Flötist wurde Briccialdi entscheidend durch die italienischen Opern der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts beeinflusst, an deren Aufführungen in verschiedenen Orchestern – Neapel, Venedig, Mailand, Rom – er beteiligt war und zu denen er aufgrund seiner Begabung improvisierte Zwischenaktmusik beisteuern durfte. So verbinden sich in seinen Kompositionen Belcanto und Virtuosität, die von Ginevra Petrucci stilsicher und klangschön realisiert werden, wenn man sich vielleicht auch gelegentlich etwas mehr draufgängerischen Schwung wünschen könnte. Das (nicht nur) begleitende Orchester, die aus Verona stammenden Virtuosi Italiani, eine Streicher-Formation, ist durch Bläser verstärkt. Das recht hallige Klangbild wirkt so, als lausche man einer Opernaufführung im Freien, eigentlich gar keine schlechte Idee. Man kann sich die Konzerte also mit einigem Vergnügen anhören und, da mit gut klingendem Klaviersatz ausgestattet, auch selbst spielen.
Ursula Pešek