Vasks, Peteris
Flute Concerto / Symphony Nr. 3
Finnische Dirigenten zeichnen sich u.a. dadurch aus, dass sie als inspirierende Partner lebender Komponisten auftreten. Man denke nur an Esa-Pekka Salonen (Los Angeles Philharmonic Orchestra) und den Schweden Anders Hillborg, Osmo Vänskä (Sinfonia Lahti) und den Finnen Kalevi Aho oder an John Storgårds (Philharmoniker Helsinki) und den Färinger Sunleif Rasmussen. Schon zur Wendezeit bestellte Juha Kangas, langjähriger Ziehvater des Ostbottnischen Kammerorchesters in Kokkola, bei Peteris Vasks in Riga ein Stück, das ihm die Tür zum Westen öffnete: die Streichersinfonie Balsis (Stimmen).
Den Anstoß zu seiner 3. Symphonie von 2004/05 gab die Philharmonie Tampere dank ihres damaligen Chefdirigenten John Storgårds. Begeistert über den doppelten Klassikpreis, der dem Orchester 2004 mit Vasks 2. Symphonie und dem Violinkonzert Distant Light in Cannes zuteil wurde, bestellte die Intendanz ein Einspielstück. Die instrumentale Sangeslust, die den Komponisten daraufhin überkam, sprengte bald den vorgegebenen Rahmen.
Fantasieartig durchkomponiert, lässt sich die 3. Symphonie in drei Abteilungen gliedern. Der ruhige Pulsschlag des e-Moll-getönten Anfangsteils und die Hirtenmelodik der Soloflöte lassen an eine ländliche Idylle denken. Der ausgedehnte Mittelteil schlägt einen dramatischen Ton an. Angestachelt von der Militärtrommel, zeigt sich alsbald ein (an Beethovens Schicksalssymphonie erinnerndes) Auftaktmotiv, das die angespannte Konfliktzone beherrscht, wiewohl immer wieder Inseln der Seligen auftauchen. Im Schluss-Andante erhebt sich ein veritables Vogelkonzert, an die Stimmen des Lebens in der Streichersinfonie Balsis erinnernd. Vogellaute bedeuteten dem Letten zu Sowjetzeiten Schöpfungslob und unbehinderte Reisefreiheit. Daran wäre zu denken, wenn am Ende die Altflöte ihr Lebewohl ins verdämmernde Abendlicht zeichnet.
Unzweifelhaft lag dem Komponisten hier die Weite und Schwermut der baltischen und finnischen Landschaft im Sinn ein Lebensgefühl, das dem Symphonieorchester der kurländischen Hafenstadt Liepaja und seinem Chefdirigenten Atvars Lakstigala hörbar nahegeht. Es ist das älteste noch tätige Berufsorchester des Baltikums, seit 2010 von Staats wegen unterstützt und nicht nur im Ostseeraum, sondern auch im übrigen Europa und sogar in Asien mit viel Zuspruch unterwegs.
Für Michael Faust, den Soloflötisten des auftraggebenden WDR Sinfonieorchesters Köln, stellt das 2007/08 komponierte und 2011 revidierte Flötenkonzert im burlesken Mittelsatz hochvirtuose Aufgaben: ein ausgelassenes Perpetuum mobile, das die Soloflöte bald tänzelnd, bald ironisch gestikulierend und beständig taktwechselnd durcheilt, bis die wilde Jagd in einer ausschweifenden Solokadenz zum Stillstand kommt. Wobei die Lettin Dita Krenberga dem Komponisten keinen Terzentriller, keine Caprice, keinen Tripelzungenschlag schuldig bleibt, bevor ihr im finalen Attimo strepitoso partiturgemäß die Puste ausgeht. Mit einer Flatterzungen Rakete hebt sie am Werkende (Cantabile 2) ins Surreale ab.
Lutz Lesle