Nicholas Lens
Flamma Flamma. The Fire Requiem
Claron McFadden (Sopran), Gary Boyce (Countertenor), Zeger Vandersteene (Tenor), Flemish Radio Choir, Gondwana Orchestra, Ltg. Vic Nees, Nicholas Lens
Fantasy-Literatur ebenso wie Fantasy-Filme werden von einem speziellen Publikum geschätzt. Aber wie steht es um Fantasy-Musik? Bietet sie mehr als den Soundtrack einschlägiger Filme? Einer, der das am besten beantworten kann, ist der heute 67-jährige Komponist Nicholas Lens aus Brüssel. Seinen größten Erfolg als Komponist erlebte er 1994 mit purer Fantasy-Musik. Flamma Flamma – The Fire Requiem hieß sein erster Abzweig ins magische Gruselkabinett. An kleineren Kompositionen hatte sich der Belgier schon während des Kontrabass- und Trompetenstudiums am Brüsseler Konservatorium versucht, bevor er eine Zeit lang als Bassist im Belgischen Nationalorchester musizierte.
Das Stück mit dem merkwürdigen lateinischen Doppelschlag-Titel war als erster Teil einer Fantasy-Trilogie mit dem Titel The Accacha Chronicles konzipiert. Unter ebenfalls lateinischen Titeln sollten Terra Terra und Amor Aeternus folgen. Das Libretto zu Flamma Flamma hat Lens zusammen mit seinem belgischen Landsmann Herman Portocarero verfasst – durchgängig auf Latein. Dem Komponisten schwebte als musikalischer Prototyp offenkundig die lateinische Totenmesse vor. Tatsächlich markiert der Tod als Teil des Lebens einen der Themenstränge der 76-Minuten-Komposition.
1994 ist sie als CD erschienen. In Brüssel remastered, wurde die Studioeinspielung nach drei Jahrzehnten neu aufgelegt. Die trockene Akustik des Studios kann die basslastig übersteuerte Aufnahme nicht leugnen. Dabei hat es der Zwitter aus Musikdrama, Requiem und Oratorium durchaus auch auf die Bühne geschafft. 1998 zum Beispiel beim australischen Adelaide Festival und 2012 zuletzt in Buenos Aires.
Flamma Flamma ist ein typisches Crossover-Projekt, eines der gut gemeinten und eines der aufgeblasenen. Es erzählt den Prometheus-Mythos neu – als Dystopie. Flammarius heißt der schnippische Gott, der sein Göttergefolge beim Besuch der Erde animiert, wie Menschen Todesangst zu empfinden. Ein weggeworfenes Streichholz löst einen Weltenbrand aus – was für eine banale Wende.
Sechs kaum differenzierte, meist als Chor eingesetzte Gesangssolisten, unter denen Koloratursopranistin Claron McFadden und Tenor Zeger Vandersteene hervorstechen, drei Naturstimmen, der kaum wahrnehmbare Flemish Radio Choir, das Gondwana Orchestra und ein japanischer Interpret der zitherähnlichen Koto produzieren einen monomanisch basslastigen Ostinato-Sound in kaum variierten Rock-Rhythmen mit gelegentlichen Orientalismen. Man muss das mögen, um damit etwas anfangen zu können.
Bernd Aulich