Blue Chamber Quartet
First Impressions
Schon seit den Anfängen des Jazz verbindet Klassiker und Jazzer eine eigenwillige Mischung aus Neugier und Zuneigung. Bereits in den 1920ern übernahmen Jazzer klassische Themen und von Igor Strawinsky wird berichtet, er habe sich häufig Konzerte des Bebop-Saxofonisten Charlie Parker angehört. Diese Faszination der Musik aus dem anderen Lager erfasste auch den Schlagzeuger der Wiener Philharmoniker, Thomas Schindl, den Kontrabassisten Holger Michalski, im Hauptberuf Mitglied des Göttinger Symphonie-Orchesters, sowie die Pianistin Julia Bartha und die Harfenistin Angelika Siman. Als Blue Chamber Quartet, abgekürzt BCQ, schlagen sie in fünfzehn Titeln einen Bogen von Sergej Prokofjews Toccata zu Chick Coreas La Fiesta, dessen spanischen Charakter in der Eingangspassage, in einem Solo und in der Schlusspassage kunstvoll geschlagene Kastagnetten unterstreichen.
Die Interpretation selbst bleibt klassisch kühl, wobei sich Klavier und Harfe den im Original von Flöte und Klavier bestimmten Part teilen. Das Quartett unternimmt keine Anstrengungen, Spielhaltung und Gestus des Jazzensembles zu übernehmen. Es bleibt authentisch, indem es sich auf seine Stärke konzentriert: das Interpretieren. Dabei zeigen die vier ein feines Gefühl für Stimmungen und Nuancen. Dies bekommt auch ihren zu einer Suite konzentrierten Bearbeitungen von fünf Songs aus Chick Coreas Zyklus Childrens Songs hervorragend, zumal schon Chick Coreas Einspielung von 1983 den Charakter zurückhaltend interpretierter Etüden trug. Die Pianistin Julia Bartha unterstreicht im 19. Song noch etwas stärker als Coreas Original den Bezug des Stücks auf Erik Saties konzentrierte Klanggestaltung eine rundum schlüssige Fassung, die sich in den Ensembleversionen der anderen vier Songs fortsetzt. Selbst der 18. Childrens Song, in dem die vier kraftvoller als Corea in seiner Soloversion agieren, bleibt im Rahmen konzentrierter Kammermusik. Dem entsprechen auch ihre Versionen von Astor Piazzollas Tanti Anni Prima und Kicho, wobei die Prägnanz und Schärfe, die Piazzollas Ensembles ausgezeichnet hatten, durch ein gefälligeres Herangehen ersetzt wurden. Hatten die Corea-Bearbeitungen vordergründig eingesetzte Jazzfloskeln vermieden, so enthält die Jazzsuite des Schotten Richard Michael zu viele. Hier und in den vom Tandem Jens Schliecker und Nils Rohwer komponierten Stücken Hinter dem Fenster und Music 4-4 schweben Komposition und Interpretationen haltlos im Niemandsland zwischen Jazz und Klassik. Die eindeutige kammermusikalische Ausrichtung der Corea-Interpretationen ist wesentlich schlüssiger, denn sie versucht gar nicht erst Jazz zu sein und bleibt im Bereich einer stilistisch ausgeweiteten Kammermusik.
Werner Stiefele