Vesa Sirén

Finnlands Dirigenten

Von Sibelius und Schnéevoigt bis Saraste und Salonen

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Scoventa
erschienen in: das Orchester 12/2017 , Seite 60

Eines vorab. Trotz Seitenzahl und beträchtlicher Rückenstärke handelt es sich bei diesem mächtigen Produkt nicht um eines jener Handbücher oder Lexika, die seit einigen Jahren auf den Markt drängen und einem den Eindruck vermitteln wollen, alles und jedes sei griffig zwischen zwei Deckel zu pressen, wenn man den Fokus nur auf ein Instrument, eine Gattung oder gar auf eine ganze Epoche lenkt. Ohne nähere Definition sind die Grenzen allerdings fließend: Da gibt es tatsächlich Lexika, die mit wenigen, aber umfangreichen Artikeln nebst eingestreuter Essays eher als Handbuch zu begreifen sind, während manches Handbuch eher eine stark gewichtete, persönliche Sichtweise auf einen Gegenstand dokumentiert, statt auch Desiderate zu benennen.
Von all dem ist bei Finnlands Dirigenten nichts zu spüren. Weder handelt es sich um ein biografisches Lexikon noch um eine Gesamtdarstellung mit enzyklopädischem Anspruch. Und dennoch ist es ein Buch, das komplett wirkt. Vesa Sirén, langjähriger Musikkritiker und Feuilletonredakteur der Tageszeitung Helsingin Sanomat, weiß jedenfalls genau, auf welchem Weg er sich mit seiner Darstellung befindet – einer umfangreich recherchierten, aber erstaunlich leichtgängig geschrieben und nicht minder flott übersetzten Darstellung, die handfeste Daten mit historischen Quellen und Rezeptionszeugnissen sowie Originaltönen aus zahlreichen Interviews verbindet. Allein schon die im Anhang beigefügten Nachweise machen dabei klar, dass es sich nicht um eine Sammlung von Anekdoten handelt, auch wenn sich in den gut disponierten Kapiteln die eine oder andere Episode findet, bei der es menschelt. Freche Genialität, handwerkliche Kunst, stille Bescheidenheit und straffes Selbstmarketing sind die eine Seite, das vielfach eingestreute kritische Gegenbild die andere.
So gelingt Sirén nicht nur eine chronologische Aneinanderreihung großer Namen, sondern die stolze Schau auf einen Berufsstand – ausgehend von der Wende ins 20. Jahrhundert bis in die Gegenwart, mehr aber noch mit einem Blick auf die damaligen Ränkespiele bis hin zu dem jetzt 87-jährigen Jorma Panula, der als „Lehrmeister“ von zwei Generationen bezeichnet werden kann. Und so lernt man von der einen oder anderen Persönlichkeit auch neue Facetten kennen oder findet eigene Eindrücke nachhaltig bestätigt.
Fünf Teile mit insgesamt 36 Kapiteln bringen Ordnung in die Vielfalt und lassen sich auch weitgehend selbstständig durchschmökern, von den großen alten Namen und schwierigen Konstellationen (Robert Kajanus, Armas Järnefelt, Georg Schnéevoigt und Jean Sibelius) bin hinein in die Gegenwart.
Zu den facettenreichen Porträts der Persönlichkeiten, die allerdings bei der Charakterisierung musikalischer Interpretationen noch deutlich Luft nach oben haben, gesellen sich durchgehend wertvolle Informationen zur Institutionsgeschichte einzelner Klangkörper. Register zu Personen und Werken erschließen den gewichtigen Band.
Michael Kube