Kapp, Eugen
Finnisch-karelischer Tanz
aus der Ballett-Suite "Kalevipoeg". Transkription für symphonisches Blasorchester von Ott Kask, Partitur
Was den Deutschen ihre Nibelungen-Sage, ist den Esten ihr Kalevipoeg das Mitte des 19. Jahrhunderts von Friedrich Reinhold Kreuzwald verfasste Nationalepos Estlands. Im Original bestehen diese zwanzig Gesänge aus 19000 Versen, deren Inhalte aus Volksliedern und Sagen des Landes bestehen. Der Held dieses Epos ist der riesenhafte und mit enormen Kräften ausgestattete Kalevipoeg. Seine Mutter starb beimVersuch eines finnischen Zauberers, sie zu entführen, und so begibt sich der ahnungslose Sohn Kalevipoeg auf der Suche nach seiner Mutter nach Finnland, wo es viele Abenteuer zu bestehen gilt.
Der aus einer estnischen Musiker- und Pädagogenfamilie stammende Eugen Kapp wurde 1908 im südrussischen Astrachan in der Nähe der heutigen Grenze zu Kasachstan geboren. Er studierte Klavier und Komposition, bevor er zunächst als Dozent für Musiktheorie am Talliner Konser-
vatorium unterrichtete, dessen Rektor er von 1952 bis 1964 war. Für sein 1948 komponiertes Ballett Kalevipoeg erhielt er 1952 den Stalinpreis. Hierzulande ist dieses Stück, wie auch große Teile seines weiteres uvres, eher unbekannt und so könnte die hier vorliegende Transkription für symphonisches Blasorchester ein spannender Geheimtipp für all diejenigen sein, die auf der Suche nach etwas Besonderem auf diesem Gebiet sind.
Der finnisch-karelische Tanz steht in a‑Moll und mutet in den ersten Takten mit seinen stetig klopfenden Achteln in der Bassklarinette leer und geheimnisvoll an. Melodiefetzen aus den Klarinetten und gedämpften Trompeten lassen an ein munteres Tänzchen von Landleuten in der Ferne denken. Das Thema wird zunächst von weiteren Holzbläsern aufgegriffen, bevor es in einem schwungvollen und lauten Tutti mündet. Gekonnt spielt der aus Tallinn stammende Arrangeur Ott Kask mit den unterschiedlichen Klangfarben der Holzbläser und gedämpften Blechbläser. Die lyrischen Cellophrasen der Originalpartitur übernehmen in dieser Transkription die Hörner und Fagotte, und die Saxofone dürfen sich freuen, endlich einmal die Bratschen des Orchesters zu sein. Das Stück dürfte rein technisch für die meisten symphonischen Blasorchester eher keine große Herausforderung darstellen. Trotzdem bleibt es musikalisch reizvoll in seiner Einfachheit und für die Zuhörer ein kleines, ungewöhnliches, aber wohlschmeckendes Bonbon für die Ohren.
Die Partitur ist als DIN-A4- und DIN-A3-Ausgabe erhältlich und enthält neben dem Notentext lediglich einige knappe Sätze zu Eugen Kapp in Deutsch und Englisch. Details zum Stück oder zur Intention des Arrangeurs sucht man vergeblich.
Etwas unverständlich bleibt, warum Ott Kask für seine Transkription nur den Finnisch-karelischen Tanz ausgewählt hat, denn die Kalevipoeg Suite hätte noch so viel mehr vor allem für symphonisches Blasorchester reizvoll zu spielende Musik zu bieten. So bleibt dieser knapp dreiminütige Tanz ein wenig einsam und braucht wohl ein geschicktes Händchen, welches flankierende Stücke für ein Konzertprogramm heraussucht, um nicht allzu exotisch und aus dem Kontext gerissen zu wirken.
Kristin Thielemann