Werke von Claude Debussy, Alban Berg, Max Reger und anderen

Fin de Siècle

Bettina Aust (Klarinette), Robert Aust (Klavier)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Genuin Gen 21729
erschienen in: das Orchester 11/2021 , Seite 84

Eine der aufregendsten Zeitspannen in der Musikgeschichte ist die Umbruchphase zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit ihrer Vielfalt an musikalischen Strömungen. Exemplarisch finden sich diese in der klavierbegleiteten Kammermusik für Klarinette, deren breites Ausdrucksspektrum zu einer neuen Blütezeit dieser auch als „Fin de Siècle“ bezeichneten Zeit führte, wobei dieser Begriff über die reale Zeitspanne hinausgehend auch eine Endzeitstimmung assoziiert, die den Aufbruch zu etwas Neuem erwarten lässt.
Die von der Solo-Klarinettistin der Augsburger Philharmoniker, Bettina Aust, und ihrem Bruder Robert am Klavier für die CD ausgewählten Werke sind dabei weniger als Stimmungsbarometer in Richtung Endzeit zu sehen, sie lassen vielmehr die stilistische Bandbreite der ersten beiden Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts in kontrastreicher Anordnung erklingen.
Claude Debussys Première Rhapsodie von 1910, wie er selbst sagt „eines der liebenswürdigsten Werke, das ich je geschrieben habe“, zeigt das Soloinstrument von einer äußerst klangsensiblen Seite und mit schnell wechselndem Ausdruck, der von den Interpreten sehr überzeugend und mit klarinettistischer Brillanz dargestellt wird. In Alban Bergs Vier Stücken op. 5 von 1913 wird die Musik zu musikalischen Gesten verknappt und mit extremen dynamischen Werten und Flatterzungeneffekten versehen expressiv gesteigert. Mit Max Regers Sonate für Klarinette und Klavier in fis-Moll op. 49 Nr. 2 geht der Blick zurück ins Jahr 1900 verbunden mit dem Aufgreifen der traditionellen Form der viersätzigen Sonate. Sie repräsentiert die chromatisch durchdrungene Tonsprache der Spätromantik und lässt in der Interpretation besonders das Lyrisch-Melancholische der Musik Regers zur Entfaltung kommen, aber auch die skurrilen Momente im zweiten Satz.
Bettina Aust besticht durch ein makelloses Legato und einen warm aufblühenden Ton, der an einigen Stellen noch nuancenreicher den dynamischen Anweisungen Regers folgen könnte. Die organischen Tempoübergänge zeugen von den Erfahrungen im gemeinsamen Duospiel. Der Klavierklang hat durch die etwas indifferente Basslage nicht ganz die nötige Transparenz für die harmonischen Feinheiten Regers.
Ein großer stilistischer Sprung folgt mit Drei Stücke für Klarinette solo aus dem Jahr 1918 von Igor Strawinsky, die formal sehr frei gestaltet sind und im dritten Stück zukunftsweisend der Dominanz des rhythmischen Elements Raum geben. Mit der Sonate Es-Dur op. 167 von Camille Saint-Saëns, die er in seinem Todesjahr 1921 schrieb, wird noch einmal der Blick zurück auf die Epoche der Romantik geworfen, die sich in dem viersätzigen Werk in vollen Zügen auslebt. Im Schlusssatz kommt die Virtuosität nicht zu kurz, ehe das Werk, das von den Interpreten mit intensivem Ausdruck und der nötigen Leidenschaftlichkeit gespielt wird, mit dem Rückbezug zum ersten Satz ausschwingt.
Heribert Haase