Hanau, Eva (Hg.)

Ferruccio Busoni im Briefwechsel mit seinem Verlag Breitkopf & Härtel

Bd. I: Briefe 1883-1914, Bd. II: Briefe 1915-1924, Kommentare

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 2012
erschienen in: das Orchester 06/2012 , Seite 63

Die Dokumentation präsentiert die zur Verfügung stehende Korrespondenz, in der allerdings etliche Schriftstücke fehlen, vor allem Busonis sämtliche Briefe von 1919 bis zu seinem Tod 1924. Insgesamt lässt der Briefwechsel erkennen, wie beide Partner bei gegenseitiger Hochachtung vertrauensvoll zusammenwirkten, um die Probleme zu lösen, die sich aus dem gewaltigen Umfang von Busonis Schaffen ergaben. Der gute Umgangston blieb auch erhalten, wenn gegensätzliche Ansichten diskutiert wurden und wenn es um finanzielle Absprachen ging.
Busoni verlieh seiner Wertschätzung des Verlags mehrfach Ausdruck, wie z.B. am 9. Juli 1898: „Ich habe, wie ich vor Zeiten schrieb, meine Componistenthätigkeit auf Ihren Verlag concentrirt, weil ich hier – dank Ihrer Einsicht – die größte künstler. Freiheit habe.“ Seine umfangreiche Korrespondenz in gepflegter deutscher Sprache wird auch in anderen Pub­likationen belegt, wie beim Briefwechsel mit seiner Frau Gerda Sjøstrand, mit Egon Petri sowie mit Schönberg, für den er sich sehr einsetzte. Mit Breitkopf & Härtel verhandelte er in erster Linie in geschäftlichen und planerischen Angelegenheiten, aber auch über Korrekturen. So kündigte er mit Schreiben vom 29. August 1912 eine Anmerkung zur Notation der Sonatina seconda an, um dem Setzer und den Benutzern seine damals ungewöhnliche Notation zu erklären. Im Notensatz steht: „Die Versetzungszeichen gelten nur für die Note, vor der sie stehen, sodass Auflösungszeichen nicht zur Anwendung kommen.“
Auf Anfrage beriet Busoni den Verlag bei Werken anderer Komponisten, wobei er offen und ehrlich seine Meinung sagte. Seine eigenen Vorschläge fanden leider wenig Resonanz. Nicht einmal Bartók, in dem Busoni sofort das Genie entdeckt hatte, wurde vom Verlag akzeptiert.
Eigenen Arbeiten stand Busoni ebenso kritisch gegenüber wie fremden. Am 19. Oktober 1897 sprach er Änderungen in seinen Werken an, „da überall etwas zu verbessern und zu berichtigen ist“. Für die Liszt-Gesamtausgabe versuchte er, von Liszt-Schülern Varianten zu erfragen, die Liszt beim Unterrichten in deren Notenexemplare eingezeichnet hatte (17. März 1910).
Die Herausgeberin Eva Hanau hat ein weitgefasstes Dokument erstellt, mit dem sie die Zeit um die Jahrhundertwende mit dem Beginn der Moderne im 20. Jahrhundert auf vielfältige Weise beleuchtet. Sie hat nicht nur gut verständliche, übersichtliche Register beigesteuert, sondern auch mit ihrem Aufsatz „Zusammenfassende Erläuterungen der Briefe nach Zeitabschnitten“ wichtige Tatsachen über Busonis Entwicklung dargestellt. Mit dem Kapitel „Zur heutigen Kaufkraft der im Briefwechsel erwähnten Geldbeträge“ kann der ungefähre Wert von Busonis Verlagshonoraren zwischen 1890 und 1921 eingeschätzt werden. Ferner hat die Autorin einen „Kommentar zu den einzelnen Briefen“ verfasst, der Fakten erklärt, die nicht unbedingt sofort verständlich sind. Eva Hanau hat mit ihrer umfangreichen und qualitätvollen Arbeit einen wichtigen Beitrag zum Verständnis eines großen Komponisten sowie eines bedeutenden Verlags geleistet und zugleich eine Dokumentation der Kultur dieser Zeit geschaffen.
Peter Roggenkamp