Werke von Telemann, Bach und Blavet

Favourites. Telemann and his subscribers

Tabea Debus (Blockflöten), Claudia Norz/Henry Tong (Violinen), Jordan Bowron (Viola), Jonathan Rees (Violoncello/Viola da Gamba), Tom Forster (Cembalo)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: TyxArt
erschienen in: das Orchester 12/2019 , Seite 69

Die Programmzusammenstellung dieser CD ist originell: Warum nicht einmal die Musik einspielen, die zu ihrer Entstehungszeit populär, also damals in den Charts war? Die Blockflötenvirtuosin Tabea Debus hält sich dabei an Telemann, der nicht nur ein großer Künstler, sondern ebenso ein Vermarktungsgenie war. Er war einer der ersten, der seine Werke über Subskription anbot und in Zeitungen und Handzetteln für sie warb.
Dieser Pionier des „Self Publishing“ arbeitete mit anderen Komponisten seiner Zeit, insbesondere mit Händel, zusammen, die Abonnenten seiner Subskriptionen waren. Das Repertoire dieser Subskriptionen spiegelt den Geschmack damaliger Amateurmusiker, welche hauptsächlich Telemanns Kunden waren. Debus versammelt Kompositionen von Telemann selbst, aber ebenso Kompositionen von Händel, Bach und Blavet.
Dabei ergeben sich interessante Einblicke, wie Telemann etwa Händels Werke ergänzte oder sogar Eigenes hinzukomponierte. So transkribierte Telemann Händels Opern und fügte neue Rezitative und Arien hinzu, und Debus arrangierte daraus Arien zu einer neuen „Sonate“, wie sie im Beiheft schreibt. Auf diese Weise gibt die Programmzusammenstellung einen direkten Einblick in die lebendige, flexible Musikpraxis des 18. Jahrhunderts. Heute sind freilich die Schlager des 18. Jahrhundert nur noch unter Barockfans populär. Für diese bietet die CD Hörgenuss mit der Wiedererkennungsfreude, wenn beispielsweise Arien aus Opern wie Händels Flavius oder Alessandro erklingen.
Die jungen Musiker sind hervorragende Barockspezialisten. Tabea Debus setzt in dieser Einspielung die Klangfarben von sieben verschiedenen Blockflöten gekonnt ein, um den Affekt der jeweiligen Kompositionen zu treffen. Stilsicher gestaltet sie die unterschiedlichen Ausdrucksregister vom Gesanglichen in den Arien bis hin zu stupender Virtuosität in den schnellen Sätzen. Das Zusammenspiel mit den anderen Instrumenten ist von Transparenz, Klarheit und Ausgewogenheit geprägt.
So könnte eigentlich alles bestens sein. Aber für den Hörer, der diese CD nicht nur als „Hintergrundmusik“ abspielt, sondern genau hinhorcht, fehlt das, was eine Interpretation außergewöhnlich werden lassen würde. Er vermisst, dass sich die jungen Musiker vom „Ballast“ all des Wissens, das sie während ihres Studiums angesammelt haben, befreien, es gleichsam als selbstverständliches Rüstzeug vergessen lassen und lebendig musizieren. Einzelne Motive oder Läufe in den schnellen Passagen werden sicher richtig, aber allzu gleichförmig artikuliert. Man hört zu selten etwas Unerwartetes, nicht jeder Ton wird für sich genommen gestaltet und differenziert. Tabea Debus zeigt in der Programmzusammenstellung die Lebendigkeit des barocken Musiklebens. Sie sollte sie aber auch für die musikalische Interpretation entdecken!
Franzpeter Messmer