Aaron Copland

Father Copland. Appalachian Spring / Quiet City / Concerto für Klarinette

Céline Moinet (Englischhorn), Sebastian Manz (Klarinette), Wolfgang Bauer (Trompete), Württembergisches Kammerorchester, Ltg. Case Scaglione

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Berlin Classics
erschienen in: das Orchester 12/2020 , Seite 70

Lange Zeit brauchte es, bis die Vereinigten Staaten von Nordamerika zu ihrer eigenständigen Musik fanden, um im Konzert der Nationen ein gewichtiges Wort mitreden zu können. Doch der Weg zu diesem Ziel führte auch für den 1900 in Brooklyn als fünftes Kind russisch- jüdischer Einwanderer geborenen Aaron Copland zunächst über Europa. Und so ging der angehende Komponist nach Paris zur bekannten Lehrerin Nadia Boulanger, die ihn mit zeitgenössischen Stilrichtungen bekannt machte. Als er 1924 nach Amerika zurückkehrte, beschloss er, Werke mit „amerikanischem Charakter“ zu schreiben. Er erwählte sich den Jazz als Mittel zum Zweck, begann aber auch amerikanische
Volksmelodien in seine Musik aufzunehmen, um „zu sehen, ob ich nicht das, was ich zu sagen hatte, so einfach wie nur irgend möglich sagen könnte“. Und so entstand eine Musik, die zu dem „common man“ sprechen sollte statt eine Gruppe von Spezialisten zu erfreuen.
Drei Hits von „Father Copland“ hat das Label Berlin Classics auf die gleichnamige CD gepresst, auf der sich die Musiker des Württembergischen Kammerorchesters Heilbronn in bester spielerischer Verfassung präsentieren. Ob zarte elegische Stimmungsmalerei oder leuchtkräftiges Kaprizieren, fröhliche Unbekümmertheit oder Behaglichkeit – das Spiel der intonationssicheren Instrumentalisten sprüht vor Vitalität, atmosphärischer Dichte, zupackender Leuchtkraft. Die reinste Hörfreude. Sie beginnt mit der Appalachian Spring-Suite für 13 Instrumente, die er aus der kompletten Ballettmusik destillierte. In ihren kürzeren, ineinander übergehenden Abschnitten lässt sich die Handlung mühelos nachvollziehen. Dabei geht es um den Mythos der Pioniere, die im frühen 19. Jahrhundert ins Land kamen und ihre neue Heimat zu einem gelobten Land machen wollten. Musikalisch werden ein frischvermähltes Farmerpaar, ein Erweckungsprediger und seine Anhänger auf unterhaltsame Weise geschildert. Von religiöser Stimmung über volkstümlich-burleske Tanzekstase des geistlichen Hirten mit Anspielungen an Squaredance und Country-Fiddler bis hin zu finaler „bittersüßer Zartheit“ (Leonard Bernstein) reicht das vergnüglich ausgebreitete musikalische Spektrum.
Als ein nicht weniger atmosphärisch dichtes Kleinod entpuppt sich die Suite Quiet City für Englischhorn, Trompete und Streicher, die sich als realistische Fantasie eines einsamen jungen Trompeters über die Nachtgedanken verschiedenster Menschen in New York vorzeigt. Sehr gefühlsstark, wie die glanzvoll weiche und warm getönte Trompete (Wolfgang Bauer) mit der lyrischen Sonorität des Englischhorns (Céline Moinet) kontrastiert. Kompliment gleichfalls für Sebastian Manz, der über einem silbrigen Streicherteppich den Swingsound des Klarinettenkonzerts zu einer lyrischen Gesangsszene entwickelt, die nach einer brillanten Solokadenz in ein jazzphrasiertes Spiel mit synkopierten Rhythmen mündet. Schade nur, das Aufnahmeort und -daten sowie Satzbezeichnungen fehlen.
Peter Buske