Franz Schubert, Frank Bridge, František Škroup und andere

Far far from each other

Lied Trios for Baritone, Viola or Horn and Piano. Andreas Burkhart (Bariton), Malte Koch (Viola), Johannes Lamotke (Horn), Thorsten Kaldewei (Klavier)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Coviello Classics COV 92105
erschienen in: das Orchester 09/2021 , Seite 88

Seit ihrem Start im Jahr 1996 haben sich die „Otzberger Sommerkonzerte“ zu einem veritablen kleinen, feinen Hotspot der Kammermusik entwickelt. Alljährlich im September finden sich Musikschaffende in Südhessen am nördlichen Rand des Odenwalds ein, um in wechselnden Besetzungen bis zum Oktett ungewöhnliche Programme zu gestalten. Sie werden von Ingrid Theiss, der Leiterin und Gründerin der Reihe, kredenzt. Wer auf den Trampelpfaden des Mainstream-Repertoires wandeln möchte und Kultur mit reiner Kulinarik verwechselt, ist hier gänzlich fehl am Platz.
Die Reihe steht für das Entdecken von Raritäten wie auch für die Pflege der Moderne und des Neuen. Unter den Interpreten sind zudem viele Orchestermitglieder, so auch auf dieser CD. Als Solo-Bratschist wirkt Malte Koch derzeit bei den Münchner Symphonikern. Johannes Lamotke war hingegen Solo-Hornist an der Komischen Oper in Berlin und ist aktuell Proband bei den Berliner Philharmonikern. Mit Bariton Andreas Burkhart ist zudem ein Mitglied des BR-Chors in München vertreten.
Die drei sind, gemeinsam mit dem Pianisten Thorsten Kaldewei, mit einem Programm zu erleben, das typisch ist für die Otzberger Dramaturgie. Unter dem – in Zeiten von Distanzregeln ziemlich aktuellen – Motto „Far, far from each other“, ein Zitat aus den eingespielten Bridge-Werken, vereint die CD Klavierlieder, die alternativ um Horn oder Bratschen ergänzt werden können.
Das gilt nicht nur für bekannte Werke wie Schuberts Auf dem Strom D943 oder die Gestillte Sehnsucht aus op. 91 von Brahms, sondern auch für selten Gehörtes. Dies sind die Three Songs von Frank Bridge von 1907, Die Thräne des heute vernachlässigten Wiener Belcanto-Meisters Otto Nicolai oder die 5 Schilflieder des Reger-Freundes Henri Marteau. Mit Liebes Thal op. 15 und An den Abendstern op. 6 des Tschechen František Škroup sowie den Zwei Liedern op. 5 von Wilhelm Kleinecke und An die Sterne von Heinrich Proch sind zudem lohnende Ersteinspielungen vertreten.
Eine spannende Hörreise ist das Ergebnis, dank der durchwegs stimmungsvollen, einnehmenden Interpretationen. Allein wie in Schuberts An den Strom das Horn anhebt, ist ein atmosphärisch dichtes Ereignis. Lamotke schafft es, das Horn in einer Weise warm und melancholisch-lyrisch singen zu lassen, wie man das nur selten erlebt. Sein Horn-Gesang berührt zutiefst und verbindet sich ganz wunderbar mit dem runden, sonoren Bariton von Burkhart. Hoffentlich wissen die Berliner Philharmoniker, was für einen Schatz sie da auf Probe haben.
Dagegen macht der Bratschenklang von Koch auch die Zerrissenheit in manchen Texten hörbar. Das Arrangement von Schuberts Nachtviolen D752 stammt von ihm selbst. Als umsichtiger Begleiter präsentiert sich Kaldewei. Eine bereichernde CD.
Marco Frei