Clarke, Rebecca / Robert Schumann / Paul Hindemith

Fantasy

Werke für Viola und Klavier

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Musicaphon M56932
erschienen in: das Orchester 03/2014 , Seite 82

> Vor Jahrzehnten gab es bereits ein Sellheim-Duo. Damals traten die Gebrüder Friedrich-Jürgen und Eckart Sellheim gemeinsam in Erscheinung. Ersterer strich das Cello, Letzterer griff in die Tasten. Seinerzeit haben sie Aufnahmen realisiert, die bis heute in bester Erinnerung sind – allen voran ihre Einspielungen von Kammermusiken von Franz Schubert, Robert Schumann, Felix Mendelssohn Bartholdy und Johannes Brahms. Ihre Interpretation der Arpeggione-Sonate Schuberts hat bis heute nichts an Wert eingebüßt.
Umso erfreulicher ist es, dass der direkte Nachwuchs diese schöne Familientradition fortsetzt – und zwar ebenbürtig, mit nicht minder großer musikalischer Durchdringung und technischem Vermögen. Allerdings gibt es einen kleinen Unterschied: Während Katharina Sellheim am Klavier sitzt, streicht ihr Bruder Konstantin die Bratsche. Noch dazu ist er auch als Orchestermusiker tätig. Seit 2006 ist Konstantin Sellheim ein Münchner Philharmoniker, wo er auch im Vorstand und der Orchesterakademie aktiv ist; mit vier Kollegen vereint er sich außerdem zum Tertis Viola Ensemble. Zuvor wirkte er bei der Staatskapelle Berlin. Darüber hinaus unterrichtet er an der Universität der Künste in Berlin und ist Tutor beim European Union Youth Orchestra (EUYO), wo er den Nachwuchs im Orchesterspiel schult.
Seine Schwester Katharina Sellheim hat bei Karl-Heinz Kämmerling studiert und zeichnet sich als umsichtige Kammermusikerin aus – so auch auf dieser CD. Es ist äußerst hörenswert, wie die Geschwister den hier eingespielten Werken eine jeweils andere, eigene Färbung abringen. Noch dazu folgen das Programm und die konkrete Reihenfolge der Stücke einer klugen, konzisen Dramaturgie: Hindemiths Fantasie-Sonate op. 11 Nr. 4 und die Violasonate von Rebecca Clarke, beide 1919 entstanden, begegnen jeweils Schumanns Fantasiestücken op. 73, die ursprünglich für Klarinette und Klavier gesetzt waren, sowie den Märchenbildern op. 113.
Damit macht das Duo vielfältige Traditionsbezüge hörbar. Einerseits nämlich greifen die Werke von Hindemith und Clarke die mehr oder weniger freie Behandlung der Form auf, die Schumann in seinen Werken verfolgt – nicht nur in den Fantasiestücken, in denen die drei Sätze unmerklich ineinander übergehen, sondern auch in den Märchenbildern, die wiederum die Reihe der Charakterstücke fortsetzen. Andererseits streben auch Hindemith und Clarke eine subtile, luzid-fragile, sinnliche Klangpoesie an, wie sie Schumann kreiert. Unaufgeregt und stilsicher, mit glasklarer Durchdringung von Struktur und Gehalt werden diese Bezüge reflektiert. Das Ergebnis ist eine inspirierte und inspirierende Hörreise, die zugleich einmal mehr offenbart, womit die deutschen Orchester generell auch punkten: In ihnen sitzen vielfach wunderbare Solisten und Kammermusiker. Einer von ihnen ist hier zu hören.
Marco Frei